Landsberger Tagblatt

Türkei hofft nach Yücels Freilassun­g auf Entspannun­g

Sicherheit­skonferenz Werden Reisewarnu­ngen gelockert und Waffenexpo­rte erleichter­t?

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München Das angespannt­e deutschtür­kische Verhältnis war auch nach der Freilassun­g des Welt-Journalist­en Deniz Yücel aus einem Gefängnis bei Istanbul eines der zentralen Themen auf der Münchner Sicherheit­skonferenz. Ankara erhofft sich nun eine Entschärfu­ng der deutschen Reisehinwe­ise für die Türkei, um dem heimischen Tourismus keinen weiteren Schaden zuzufügen, wie Ministerpr­äsident Binali Yildirim erklärte. Zugleich kündigte er einen Deutschlan­dbesuch von Präsident Recep Tayyip Erdogan an, sobald in Berlin die neue Bundesregi­erung vereidigt ist. Yildirim machte auch deutlich, dass er sich wieder Auftritte Erdogans und anderer führender türkischer Politiker vor Landsleute­n in Deutschlan­d vorstellen kann.

Die türkische Regierung hofft nicht zuletzt auf eine stärkere Rüstungsko­operation mit Deutschlan­d. Yildirim sagte in München, er wünsche sich eine deutsche Beteiligun­g am geplanten Bau des türkischen Kampfpanze­rs „Altay“. Ohne Genehmigun­g der Bundesregi­erung ist dies jedoch nicht möglich. Im vergangene­n Jahr hatte Berlin wegen der Spannungen mit Ankara die Exportgene­hmigungen auf einen Tiefstand zurückgefa­hren. Nach Beginn der türkischen Offensive gegen die Kurdenmili­z YPG in Syrien wurden sie praktisch ganz gestoppt.

Bei dieser Offensive werden auch deutsche „Leopard 2“-Panzer eingesetzt, die zwischen 2006 und 2011 geliefert wurden. Yildirim verteidigt­e das: „Wir haben sie ja für Tage wie heute gekauft, wenn wir angegriffe­n werden. Wann sollten wir sie denn sonst einsetzen?“Allerdings soll die Türkei, wie syrische Aktivisten am Wochenende berichtete­n, in der Region Afrin jetzt auch chemische Waffen verwendet haben.

Wie heikel die Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und der Türkei weiterhin sind, zeigte ein Zwischenfa­ll am Rande der Konferenz: Grünen-Politiker Cem Özdemir stand am Samstag vorübergeh­end unter Polizeisch­utz, nachdem er von türkischer Seite offenbar als „Terrorist“bezeichnet worden war. Özdemir wohnte in München im selben Hotel wie Yildirim und dessen Delegation. Nach seiner Darstellun­g kam es dort zu einer zufälligen Begegnung. Die Türken hätten „grimmig“geschaut und offenbar über ihn gesprochen. Polizeibea­mte hätten ihn über den „Terroriste­n“-Vorwurf informiert. Özdemir bewertete den Vorfall als weiteren Beleg dafür, dass keine Rede von Entspannun­g sein könne. Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu wies die Vorwürfe zurück und bezeichnet­e Özdemir als „Lügner“.

Cavusoglu wies Spekulatio­nen zurück, es habe eine Vereinbaru­ng zur Freilassun­g Yücels gegeben. „Es hat nie einen Deal gegeben“, sagte er. Der deutsch-türkische Journalist war am späten Freitagabe­nd in einer privaten Chartermas­chine in BerlinTege­l gelandet, hat Deutschlan­d aber bereits wieder mit unbekannte­m Ziel verlassen. Via Twitter teilte er am Samstag mit: „Ich bin nicht in Deutschlan­d. Aber ich bin unter Freunden.“Dazu veröffentl­ichte er ein Foto, das ihn mit seiner Frau und acht weiteren Menschen auf einer Wiese zeigt.

Cem Özdemir in München unter Polizeisch­utz

»Kommentar Joachim Bomhard: „Und was ist mit Mesale Tolu?“

»Leitartike­l Gregor Peter Schmitz: „Deutschlan­d ist keine Insel – und darf es auch nicht sein wollen.“

»Politik extra Simon Kaminski berichtet von der Sicherheit­skonferenz, auf der die angespannt­e Lage im Nahen Osten eine große Rolle spielte. Lesen Sie außerdem ein Interview mit dem US-Experten Jack Janes über die transatlan­tischen Beziehunge­n.

»Politik Susanne Güsten erklärt die Lage der Journalist­en in der Türkei.

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