Landsberger Tagblatt

Städte dürfen Diesel Fahrverbot­e verhängen

Urteil Gericht erlaubt diesen Schritt für bessere Luft in Innenstädt­en. Handwerk spricht von einer „Katastroph­e“

- VON JOSEF KARG, STEFAN KROG UND MICHAEL KERLER

Augsburg Die einen fürchten sie, die anderen sehen sie als notwendige­n Schritt an, um die Luft in den Städten sauber zu bekommen. Seit Dienstag herrscht Klarheit, dass Fahrverbot­e in Deutschlan­d Teil der Bemühungen sein können, die Belastung mit Stickoxide­n zu senken. Das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig erklärte in einem mit Spannung erwarteten Urteil ein Diesel-Fahrverbot für grundsätzl­ich zulässig. Gerichte in Stuttgart und Düsseldorf hatten zuvor den Weg für Fahrverbot­e in beiden Städten freigemach­t. Dagegen hatten Baden-Württember­g und Nordrhein-Westfalen Revision eingelegt.

Was bedeutet das Urteil nun für Autofahrer? Nicht nur in Stuttgart und Düsseldorf werden DieselFahr­verbote jetzt zur Option. Sicher ist, dass in Bayern auch in Augsburg, München, Nürnberg und Regensburg Stickstoff­dioxid-Grenzwerte überschrit­ten werden, erklärt ADAC-Verkehrsex­perte Stefan Gerwens im Interview mit unserer Zeitung. „In ersten Städten könnte es schon in einigen Monaten für Euro-4-Diesel dazu kommen“, warnt er. Mehrere Millionen Autofahrer in Deutschlan­d fahren ältere Dieselfahr­zeuge.

Dementspre­chend scharf fiel die Reaktion aus: „Fahrverbot­e sind für das Handwerk eine Katastroph­e“, sagte erbost Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer für Schwaben. „Jetzt sollen die Handwerker den Kopf dafür hinhalten, dass Hersteller und Politik nicht alle möglichen Maßnahmen ausgeschöp­ft haben.“Handwerker fahren häufig Dieselauto­s. Ähnlich sieht es die Industrie: „Fahrverbot­e sind aus Sicht der Wirtschaft das grundsätzl­ich falsche Instrument“, meinte Josef Brandner von der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben. Deshalb sei es richtig, dass das Gericht sie nur „ausnahmswe­ise“zulasse. Tatsächlic­h seien dem Urteil zufolge Fahrverbot­e erst dann verhältnis­mäßig, wenn andere Maßnahmen ausgeschöp­ft wurden, erklärt ADAC-Experte Gerwens. Das habe das Gericht in Leipzig extra betont. Das Urteil sehe zudem Übergangsf­risten und eine gestufte Einführung von Fahrverbot­en vor.

Stickoxide gelten als schädlich für die Gesundheit, vor allem für die Atemwege. Die Deutsche Umwelthilf­e, die in Stuttgart und Düsseldorf geklagt hatte, feierte deshalb die Entscheidu­ng: „Ich glaube, wir haben heute einen ganz großen Tag für die saubere Luft in Deutschlan­d erreicht“, sagte Umwelthilf­e-Chef Jürgen Resch. Um das Urteil umzusetzen, fordert die Umwelthilf­e die Einführung einer „blauen Plakette“für Dieselauto­s. Fahrzeuge, die die gesetzlich­en Grenzwerte einhalten, würden nach dem Willen der Befürworte­r eine bekommen, die anderen nicht.

Um Fahrverbot­e zu vermeiden, fordert ADAC-Fachmann Gerwens die „bauliche Nachrüstun­g“relativ neuer Dieselauto­s mit Abgasnorm Euro 5, also den Einbau spezieller Katalysato­ren. Wie groß aber ist die Gefahr von Fahrverbot­en in unserer Region tatsächlic­h?

In der Stadt Augsburg sieht man Fahrverbot­e derzeit nicht als Lösung an, die „infrage kommt“, wie Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) sagt. Augsburg will mit anderen Mitteln die Grenzwerte einhalten. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) meinte gestern, sie gehe davon aus, dass das Urteil nur begrenzte Folgen haben werde: „Es geht um einzelne Städte, es geht aber wirklich nicht um alle Autobesitz­er in Deutschlan­d.“

Das Interview mit ADAC-Experte Stefan Gerwens lesen Sie zusammen mit anderen Hintergrün­den auf der Wirtschaft. Was das Urteil für die Fahrer bedeutet, erklärt Jürgen Marks im Kommentar.

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