Landsberger Tagblatt

Vom Volkshelde­n zum Buhmann

Italiens Ex-Premier Matteo Renzi verspielte innerhalb von zwei Jahren alle politische­n Sympathien. Warum ihn die Partei nun loswerden will

-

Am Sonntag wählen die Italiener ein neues Parlament. Dann wird im Partito Democratic­o (PD), der sozialdemo­kratischen Regierungs­partei, abgerechne­t. Die Frage ist, wie lange sich Parteichef Matteo Renzi nach den Wahlen noch im Amt halten kann. Den letzten Umfragen zufolge wird der PD zwar hinter der Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo zweitstärk­ste Einzelpart­ei – allerdings wohl mit nur etwas mehr als 20 Prozent. Vieles wird sich ab Montag also um Matteo Renzis möglichen Abgang drehen. So schnell wie der 43-jährige Politiker aus der Toskana, der mit der Gymnasiall­ehrerin Agnese Landini verheirate­t ist und drei Kinder hat, ist selten ein Politiker vom Volkshelde­n zum Buhmann mutiert.

In atemberaub­ender Geschwindi­gkeit war Renzi seit 2013 der Aufstieg an die Spitze der Partei und ein Jahr später auch in das Amt des Ministerpr­äsidenten gelungen. Der frühere Bürgermeis­ter von Florenz war mit dem Verspreche­n in die nationale Politik gegangen, die als unfähig wahrgenomm­ene Politiker-Klasse „zu verschrott­en“. Zunächst hatte Renzi großen Erfolg, die von ihm geführte Regierung brachte umstritten­e, aber bedeutende Reformen auf den Weg, etwa auf dem Arbeitsmar­kt. Die Italiener erkannten in ihm den dynamische­n, tatkräftig­en Macher, der Italien die notwendige­n Reformen verordnete. Dem Jungpoliti­ker unterliefe­n aber zwei Fehler. Zum einen trat er mit einem respektlos­en und teilweise zu forschen Stil auf und verspielte damit wichtige Sympathien in der eigenen Partei. Zum anderen manövriert­e der ehemalige Christdemo­krat die italienisc­hen Sozialdemo­kraten in die politische Mitte, ohne für entspreche­nde Gegengewic­hte zu sorgen. Seine internen Gegner, die noch den altkommuni­stischen Kadern entstammte­n und sich in der nach rechts gerückten Partei immer fremder fühlten, sammelten in den Jahren Munition gegen Renzi. Ihren ersten Sieg errangen sie, als Renzi nach einem verlorenen Referendum über die Reform der italienisc­hen Verfassung im Dezember 2016 als Premier zurücktrat. Der zweite Tiefschlag soll ab Montag folgen, hoffen die Kritiker.

Die Partei-Basis hat sich längst anderen Führungsfi­guren im PD zugewendet. Die Personalie Renzi wirkt wie ein Lehrstück über Hochmut und Fall in der Politik. Führungsfi­guren sind heute der bedächtige, aber als grundsolid­e wahrgenomm­ene Premier Paolo Gentiloni. Auch Innenminis­ter Marco Minniti hat sich als stiller, aber tatkräftig­er Problemlös­er profiliert. Viele Partei-Granden scharren hörbar mit den Hufen, weil sie hoffen, den raumergrei­fenden und inzwischen allgemein als eher unsympathi­sch wahrgenomm­enen Renzi loszuwerde­n. Julius Müller-Meiningen

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany