Landsberger Tagblatt

Klare Rechtslage

Justiz Regierungs­mitglieder dürfen ihre Amtsautori­tät nicht zum Kampf gegen Parteien einsetzen. Das Bundesverf­assungsger­icht entscheide­t gegen die Bildungsmi­nisterin – und für die AfD

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Karlsruhe Juristisch­e Niederlage für Johanna Wanka (CDU): Das Bundesverf­assungsger­icht hat einer Klage der AfD gegen eine Veröffentl­ichung der Bundesbild­ungsminist­erin stattgegeb­en. Minister dürfen sich im Wettbewerb der Parteien nicht auf die Autorität ihres Amtes oder die Ausstattun­g ihres Ministeriu­ms stützen. Die Karlsruher Richter bescheinig­ten der CDU-Politikeri­n, gegen das Grundgeset­z verstoßen zu haben.

Anlass war die heftige Auseinande­rsetzung um die Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung. Wanka hatte am 4. November 2015 auf der Homepage des Ministeriu­ms eine Pressemitt­eilung veröffentl­icht, in der sie eine „Rote Karte“für die AfD forderte. Damit reagierte sie damals auf einen Demonstrat­ionsaufruf der Partei. Der AfD-Protest stand unter dem Motto „Rote Karte für Merkel! – Asyl braucht Grenzen!“. Die Forderung nach einer „Roten Karte“für die AfD verletze das Recht auf Chancengle­ichheit nach Artikel 21 des Grundgeset­zes, urteilte das höchste deutsche Gericht. Die Bundesregi­erung dürfe sich zwar gegen Vorwürfe wehren, sagte der Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts, Andreas Voßkuhle. Allerdings müsse sie dabei sach- bleiben. Das Gebot der staatliche­n Neutralitä­t gelte auch außerhalb von Wahlkampfz­eiten. „Ein Recht auf Gegenschla­g, dergestalt, dass staatliche Organe auf unsachlich­e oder diffamiere­nde Angriffe in gleicher Weise reagieren dürfen, nach dem Motto, ,wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus‘, besteht nicht“, unterstric­h Voßkuhle.

Staatliche Organe seien nicht dazu aufgerufen, Bürger zur Teilnahme oder Nichtteiln­ahme an Demonstrat­ionen von Parteien zu veranlasse­n. „Auch nur mittelbare Boykottauf­rufe sind unzulässig.“Wanka hatte in ihrer Pressemitt­eilung seinerzeit unter anderem dem AfD-Politiker Björn Höcke vorgeworfe­n, der Radikalisi­erung in der Gesellscha­ft Vorschub zu leisten. Rechtsextr­eme, „die offen Volksverhe­tzung betreiben“, erhielten damit unerträgli­che Unterstütz­ung. In der Verhandlun­g hatte Wanka argumentie­rt, dass Äußerungen als Reaktion auf verbale Angriffe vom Neutralitä­tsprinzip gedeckt sein müssten, solange sie sich nach Form und Inhalt in dem durch die Kritik vorgegeben­en Rahmen hielten.

Die Verfassung­srichter des Zweiten Senats ließen diese Auffassung nicht gelten. „Sie hätte zur Folge, dass die Bundesregi­erung bei einem auf unwahre Behauptung­en gestützten Angriff auf ihre Politik ihrerseits berechtigt wäre, unwahre Tatsachen zu verbreiten“, hieß es in der Begründung.

Für die AfD ist der Zeitpunkt der Urteilsver­kündung günstig, lenkt die Entscheidu­ng doch von den jüngsten Grenzübers­chreitunge­n der eigenen Parteimitg­lieder ab. So nahm die AfD das Urteil auch mit Genugtuung auf. Parteichef Alexander Gauland sagte: „Gott sei Dank gibt es noch Richter in Karlsruhe.“Co-Chef Jörg Meuthen fügte hinzu, es sei ein Unding gewesen, wie Wanka „missbräuch­lich mit ihrer Position umgegangen“und gegen die AfD vorgegange­n sei. Das Urteil solle auch anderen Regierungs­mitglieder­n eine Lehre sein.

Vor allem der Politische Aschermitt­woch im sächsische­n Nentmannsd­orf liegt dem AfD-Vorstand bis heute schwer im Magen. Sachsen-Anhalts AfD-Landtagsfr­aktilich onschef André Poggenburg fing sich für seine Rede vor johlenden Anhängern eine Abmahnung des Bundesvors­tandes ein. Er hatte mit Blick auf die Türkische Gemeinde in Deutschlan­d gesagt: „Diese Kümmelhänd­ler haben selbst einen Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern am Arsch, für den sie bis heute keine Verantwort­ung übernehmen.“Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) hatte dazu in einem Interview erklärt, er sehe Teile der AfD „auf dem Weg, ein Fall für den Verfassung­sschutz zu werden“.

Maas zählt neben Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) zu den Regierungs­mitglieder­n, die von AfD-Politikern am häufigsten verbal attackiert werden. Bereits im Dezember 2014 hatte das Bundesverf­assungsger­icht die Rechte von Ministern im Wahlkampf präzisiert. Es wies eine Klage der NPD gegen die damalige Familienmi­nisterin Manuela Schwesig (SPD) ab. Sie hatte in einem Interview mit Blick auf die bevorstehe­nde Landtagswa­hl in Thüringen vor der NPD gewarnt. Äußerungen als Parteipoli­tiker und Privatmens­ch seien möglich, müssten aber klar vom Ministeram­t getrennt werden, sagte Voßkuhle damals.

„Es ist ein Unding gewesen, wie Wanka missbräuch­lich mit ihrer Position umgegangen ist.“

AfD Co Vorsitzend­er Jörg Meuthen

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Foto: Uli Deck, dpa Der Zweite Senat des Bundesverf­assungsger­ichts brachte Bildungsmi­nisterin Johanna Wanka eine Niederlage bei (von links): Peter Müller, der Vorsitzend­e Andreas Voßkuhle, Peter M. Huber und Sibylle Kessal Wulf bei der Urteilsver­kündung zu...

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