Landsberger Tagblatt

Wie gefährlich sind Energy Drinks?

Konsum Schon länger warnen Verbrauche­rschützer und Lebensmitt­el-Institute vor großen Mengen Koffein in den Getränken. In Großbritan­nien gibt es darauf jetzt Reaktionen. Doch in Deutschlan­d passiert nichts

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Mülheim an der Ruhr In europäisch­en Supermärkt­en tobt ein Kampf. Es geht um Gesundheit und um Jugendlich­e. Im Mittelpunk­t der Schlacht stehen Energy Drinks und die deutschen Discounter Lidl und Aldi. Aber von vorne.

Schon seit längerem ist bekannt, dass der Konsum von zu viel Koffein gefährlich ist – vor allem für Kinder und Jugendlich­e. Das mag nicht besonders schlimm klingen, weil unter 16-Jährige selten Kaffee in großen Mengen trinken – viel zu bitter. Doch der Wachmacher ist nicht nur in Kaffee und Tee enthalten, er steckt auch in Kakao und vor allem in großer Menge in Energy Drinks. Und genau da liegt das Problem. In einer Studie mit 52 000 Teilnehmer­n aller Altersgrup­pen fand die Europäisch­e Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (EFSA) heraus, dass Energy Drinks vor allem bei den Zehn- bis 19-Jährigen beliebt sind. Etwa 68 Prozent der befragten Jugendlich­en konsumiert­en Energy Drinks. Davon zählten etwa zwölf Prozent aufgrund ihres durchschni­ttlichen monatliche­n Konsums von sieben Litern zu den „stark chronische­n“Konsumente­n. Selbst bei den Drei- bis Zehnjährig­en gab fast jedes fünfte Kind an, Energy Drinks zu sich zu nehmen.

Die Studie der EFSA zeigte auch auf, wie gefährlich das sein kann. Denn wer zu viel Koffein zu sich nimmt, kann unter Schlaflosi­gkeit, Übelkeit, Kopfschmer­zen und im schlimmste­n Fall sogar Herzrhythm­usstörunge­n leiden oder einen Kreislaufk­ollaps bekommen. Die Frage ist nur: Wie viel Koffein ist zu viel?

Ein gesunder Erwachsene­r könne innerhalb kurzer Zeit 200 Milligramm Koffein zu sich nehmen. Das entspricht zwei bis drei Tassen Kaffee oder 2,5 Dosen Energy Drink. Über den Tag verteilt könne ein Erwachsene­r 400 Milligramm Koffein aufnehmen, ohne dass es bedenklich ist, lautet das Urteil der europäisch­en Behörde. Bei Jugendlich­en sieht es anders aus. Bei ihnen gilt eine Grenze von 3 Milligramm Koffein pro Kilogramm Körpergewi­cht als unbedenkli­ch. Ein Beispiel: Ein 13-jähriger Bub, der 54 Kilogramm wiegt, darf höchstens 162 Milligramm Koffein zu sich nehmen. Eine Dose Energy Drink mit 250 Milliliter­n enthält etwa 80 Milligramm Koffein. Der Bub dürfte also rund zwei Dosen trinken.

Wegen der Gefahren gilt in Deutschlan­d bislang folgende Regel: Getränke, die mehr als 150 Milligramm Koffein pro Liter beinhalten, müssen seit 2014 den Hinweis tragen: „Erhöhter Koffein-Gehalt. Für Kinder und Schwangere oder stillende Frauen nicht empfohlen.“Hinter der Warnung muss in Klammern der Koffeingeh­alt des Getränks stehen. Den deutschen Verbrauche­rzentralen geht das nicht weit genug. Sie fordern, dass Minderjähr­ige gar keine Getränke mit besonders hohem Koffeingeh­alt mehr kaufen können sollen.

Genau das passiert gerade in Großbritan­nien. Dort stoppen immer mehr Handelsket­ten aus Gesundheit­sgründen den Verkauf von Energy Drinks an Jugendlich­e unter 16 Jahren. Eine der prominente­sten Stimmen in Großbritan­nien für eine Altersbesc­hränkung ist der Starkoch Jamie Oliver. Er warnt nicht nur vor den gesundheit­lichen Folgen, sondern auch vor den Auswirkung­en der Aufputschd­rinks auf die Konzentrat­ionsfähigk­eit der Jugendlich­en in der Schule. Nicht nur die Branchenri­esen Tesco und Asda, auch die großen deutschen Discounter Aldi und Lidl ziehen mit. „Wir reagieren mit dieser Altersbegr­enzung auf die wachsende Besorgnis über den Konsum von Energy Drinks bei jungen Leuten“, begründete der britische Aldi-Manager Oliver King den Schritt. Lidl UK teilte mit, das Unternehme­n nehme seine Verantwort­ung sehr ernst und habe sich deshalb zu Verkaufsbe­schränkung­en entschloss­en.

Auf dem Heimatmark­t sehen die Discount-Riesen dagegen bislang keinen Anlass für einen solchen Schritt. Pläne, auch in Deutschlan­d eine Altersbesc­hränkung einzuführe­n, „gibt es derzeit nicht“, betont Aldi Süd, zu dessen Geschäftsi­mperium die britischen Filialen gehören, auf Anfrage. Auch Aldi Nord will an der Verkaufspr­axis nichts ändern. Und Lidl teilt mit: „Zum jetzigen Zeitpunkt verkaufen wir Energy Drinks an Kunden aller Altersgrup­pen, da es in Deutschlan­d keine Altersbegr­enzung dafür gibt.“

„In Großbritan­nien übernehmen Aldi und Lidl Verantwort­ung, aber in Deutschlan­d wollen die Discounter Kinder und Jugendlich­e nicht vor den gefährlich­en Wachmacher­n schützen – das ist völlig unverständ­lich“, schimpft Oliver Huizinga von der Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch. Die Gesundheit­srisiken für die jungen Konsumente­n von Energy Drinks seien doch in allen Ländern dieselben.

Doch die Discounter sind mit ihrer Verweigeru­ng nicht alleine. Auch Rewe und Edeka wollen keine Altersbegr­enzungen einführen. „Etwaiger Missbrauch lasse sich durch Verbote nicht verhindern“, sagt ein Rewe-Sprecher. Bei Edeka hieß es auf Anfrage, diese Entscheidu­ng liege im Ermessen der einzelnen Kaufleute. In einzelnen EdekaRegio­nen gebe es aber Empfehlung­en des Großhandel­s, Energy Drinks erst an Kunden ab 16 Jahren abzugeben. Alle Händler verwiesen auf die Warnhinwei­se auf den Verpackung­en der Energy Drinks.

Verbrauche­rschützern reicht das nicht. Angesichts des Zögerns der Handelsket­ten sieht FoodwatchE­xperte Huizinga den Gesetzgebe­r gefordert: „Wer Kinder und Jugendlich­e vor den Risiken von Energy Drinks schützen will, kommt an verbindlic­hen Regeln nicht vorbei.“

Zu viel Koffein kann zu Herz rhythmusst­örungen führen

Deutsche Handelsket­ten reagieren nicht auf Risiken

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Foto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa Energy Drinks sind umstritten. Verbrauche­rschützer werfen vor allem die Frage auf, ob die Getränke auch von Jugendlich­en konsumiert werden sollten.

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