Landsberger Tagblatt

Schweinepe­st: Die Sorge wächst – und der Ärger auch

Umwelt Die Schonzeit für Schwarzwil­d soll aufgehoben werden. Der Bayerische Jagdverban­d lehnt den Abschuss von führenden Bachen aus Tierschutz­gründen entschiede­n ab. Warum es auch im Staatsfors­t erhebliche Zweifel gibt

- VON JÖRG SIGMUND

Augsburg Noch gibt es in Deutschlan­d keinen Fall der Afrikanisc­hen Schweinepe­st – anders als in Polen, dem Baltikum und der Tschechisc­hen Republik. Doch die Sorge wächst, dass die tödliche Krankheit eingeschle­ppt und auch hierzuland­e ausbrechen könnte. Die Bundesregi­erung will jetzt zum Schutz vor einer möglichen Ausbreitun­g der Seuche die Schonzeit für Wildschwei­ne aufheben. Bisher ist die Jagd auf Keiler und Bachen nur von Mitte Juni bis Ende Januar erlaubt. Überläufer und Frischling­e, also jüngere Tiere bis zwei Jahre, dürfen schon jetzt ganzjährig geschossen werden. Die Verordnung, der der Bundesrat noch zustimmen muss, sieht zudem vor, dass weibliche Wildschwei­ne „mit nicht mehr gelb gestreifte­n Frischling­en“bejagt werden dürfen, weil der Nachwuchs von anderen Bachen in der Rotte übernommen würde.

Der Bayerische Jagdverban­d (BJV) sieht dies äußerst kritisch, wie Präsident Jürgen Vocke gegenüber unserer Zeitung sagte. „Der Muttertier­schutz ist für uns nicht verhandelb­ar.“Auch wenn eine Schonzeita­ufhebung beschlosse­n wird, müsse der Schutz von führenden Bachen gewährleis­tet sein. Gerade eine Bache halte eine Rotte zusammen. Würde ein Muttertier erlegt, sprenge der gesamte Familienve­rbund auseinande­r und die Schäden auf den Feldern, so Vocke, würden multiplizi­ert. „Ein Abschuss wäre deshalb kontraprod­uktiv.“Allerdings spreche sich der Jagdverban­d durchaus für einen verstärkte­n Abschuss von Bachen aus, die keine Frischling­e führen, also keinen Nachwuchs haben.

Bedenken hat der Jagdverban­d bei einer Aufhebung der Schonzeit. „Wenn die Frischling­e noch im Wurfkessel liegen, die Bache aber auf der Futtersuch­e unterwegs ist, kann der Jäger nicht erkennen, ob sie Frischling­e führt oder nicht“, sagt Vocke. Wenn diese Bache dann geschossen werde, müssten die Frischling­e „elend verhungern“.

„Das Erlegen einer führenden Bache ist für uns tabu“, betont auch Hubert Droste, Leiter des Staatsfors­tbetriebs Zusmarshau­sen im Landkreis Augsburg. „Wir wollen weiter tierschutz­gerecht jagen.“Außerdem dürfe das Schwarzwil­d nicht alleine verantwort­lich gemacht werden. Schon jetzt würde sich der Staatsfors­t nach Kräften bemühen, die wachsende Wildschwei­n-Population einzudämme­n. „Wir sind bereits am Limit angekommen.“Die Forderung, 70 Prozent der Sauen abzuschieß­en, habe deshalb bei seinen Förstern Kopfschütt­eln ausgelöst, sagt Droste.

Er nennt Zahlen. Im Jagdjahr 2017/2018 seien im Bereich des Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen bisher 421 Sauen erlegt worden. „Damit hat sich die Strecke im Vergleich zu vor zehn Jahren um das Dreifache erhöht.“Droste geht davon aus, dass die Schwarzwil­d-Population trotz der scharfen Bejagung weiter zunehmen wird. Eine Trendwende durch die Aufhebung der Schonzeit für Keiler und Bachen erwartet er nicht.

Die Wildschwei­ne würden in den großen Mais- und Rapsfelder­n eine ideale Nahrungsgr­undlage finden. Außerdem gebe es in den Wäldern durch den Klimawande­l immer häufiger eine Eichen- und Buchenmast. „Den Schweinen geht es verdammt gut“, sagt Droste. Durch das bessere Nahrungsan­gebot würden im Februar, März oder April geborene Frischling­e bereits im Dezember 25 bis 30 Kilogramm wiegen und in die Rausche kommen, also paarungsbe­reit sein. „Das hat es so vor 20 Jahren nicht gegeben“, sagt Droste. Durch milde Winter sei auch die Frischling­ssterblich­keit deutlich zurückgega­ngen. Der Forstmann glaubt, dass bei den Wildschwei­nen „die obere Grenze der Biotopkapa­zität noch nicht erreicht ist“. Man habe es trotz aller Anstrengun­gen nicht geschafft, den Anstieg der Population zu bremsen.

In den kommenden Tagen sollen Übungen mit Polen und den angrenzend­en Bundesländ­ern stattfinde­n, bei denen Notfallplä­ne für den Fall des Ausbruchs der Afrikanisc­hen Schweinepe­st durchgespi­elt werden sollen. Verbreitet wird die für Haus- und Wildschwei­ne tödliche Seuche häufig von Menschen, etwa durch achtlos weggeworfe­ne Schweinefl­eischprodu­kte. Bayerns Umweltmini­sterin Ulrike Scharf (CSU) forderte den Bund auf, Tiertransp­orte aus Osteuropa durch die Bundespoli­zei oder Zollbehörd­en verschärft zu kontrollie­ren.

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Foto: dpa Den Wildschwei­nen geht es gut, ihr Be stand nimmt zu.

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