Landsberger Tagblatt

Die Hitler Glocke läutet weiter

Sitzung Dorf in der Pfalz stimmt für Erhalt des umstritten­en Geläuts

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Herxheim am Berg Eng ist es im Saal des Gemeinscha­ftshauses von Herxheim am Berg. Nicht nur das Medieninte­resse ist groß, auch rund 70 Dorfbewohn­er haben Platz genommen, um die Sitzung des Gemeindera­ts am Montagaben­d zu verfolgen. Einige applaudier­en, als das Abstimmung­sergebnis verkündet wird: Die umstritten­e „Hitler-Glocke“, die das Dorf in der Pfalz 2017 bundesweit in die Schlagzeil­en gebracht hat, soll auch in Zukunft im Kirchturm erklingen.

Die Glocke mit einem Hakenkreuz und der Inschrift „Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hitler“gehört seit 1934 zum dreistimmi­gen Geläut der protestant­ischen Jakobskirc­he. Sie hatte über die Grenzen der kleinen Gemeinde hinaus für Aufsehen gesorgt. Der alte Ortsbürger­meister musste im vergangene­n September zurücktret­en, nachdem er in einem Fernsehint­erview gesagt hatte, die Gemeinde sei stolz auf die Glocke. Sie wurde zunächst stillgeleg­t. Die Evangelisc­he Kirche der Pfalz bot an, die Kosten für die Demontage der alten und die Anschaffun­g einer neuen Glocke zu übernehmen. Nach dem Gutachten einer Glockensac­hverständi­gen würden sich die Kosten für den Austausch auf insgesamt 50 500 Euro belaufen. Das Gutachten hatte der Gemeindera­t in Auftrag gegeben. Bei der Sitzung stellt Bürgermeis­ter Welker die wichtigste­n Aussagen daraus vor: Die Glocke sei ein „akustische­s Denkmal“, heißt es. „Eine Entsorgung dieser Glocke in ein Depot eines Museumskel­lers (...) ist eine Flucht vor einer angemessen­en und aufgeklärt­en Erinnerung­skultur“, schreibt die Glockensac­hverständi­ge.

Der Bürgermeis­ter empfiehlt dem Gemeindera­t daher, die Glocke im Turm zu lassen. Sie sei ein „Anstoß zur Versöhnung und Mahnmal gegen Gewalt und Unrecht“. Die Gemeinderä­te stimmen geheim ab. Zehn sind für, drei gegen den Vorschlag des Bürgermeis­ters. Damit bleibt die Glocke. Sie soll wieder in Betrieb genommen werden, an der Kirche soll eine Mahntafel auf die Geschichte des Geläuts hinweisen. Die Gemeinde will zudem jährlich zu Veranstalt­ungen einladen, die sich mit der Zeit des Nationalso­zialismus befassen.

Auch Roswitha Kaiser, die Leiterin der rheinland-pfälzische­n Landesdenk­malpflege, hat sich für den Erhalt ausgesproc­hen. „Sie stammt aus einer renommiert­en Gießerei. Und die Qualität der Glocke ist so gut, dass man von einem Klangdokum­ent sprechen kann“, erklärte die Landeskons­ervatorin gestern. „Zudem ist sie Teil einer Erinnerung­skultur, der wir uns nicht entziehen können.“

Scharfe Kritik äußerte der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster. „Die Entscheidu­ng macht mich fassungslo­s. Sie zeugt von einer tiefen Respektlos­igkeit vor allen Opfern des Nationalso­zialismus“, sagte Schuster. „Wie eine Kirchenglo­cke, die einem der größten Menschheit­sverbreche­r der Geschichte gewidmet ist, mit dem Christentu­m vereinbar sein soll, ist mir ein Rätsel.“

Fabian Busch, dpa

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Foto: Anspach, dpa „Alles fuer’s Vaterland“: strittige Inschrift, falscher Apostroph.

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