Wie lange ist der Diesel noch Pendlers Liebling?
Fahrverbote Dass die Fahrzeuge nicht mehr überall hinfahren dürfen, wird nach dem gestrigen Urteil wahrscheinlicher. Wie München-Fahrer und Autohändler die Lage jetzt sehen. Dicke Luft gibt es auch in Landsberg
Landsberg Es ist ein Urteil, das im Landkreis Landsberg mit einem hohen Anteil an München-Pendlern kaum jemand kalt lässt: Grundsätzlich können Kommunen DieselFahrzeuge aus besonders belasteten Stadtteilen aussperren, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Dienstag entschieden.
● Die Pendler Gerade unter München-Pendlern ist der Anteil von Diesel-Fahrern hoch. Harald Reitmeir fährt von Landsberg an seinen Arbeitsplatz im Münchner Süden – mit einem zehn Jahre alten Mercedes-Diesel – und viele seiner Mitarbeiter legten ebenfalls den Weg zur Arbeit mit einem Diesel-Fahrzeug zurück. Die meisten wohnten wegen der hohen Immobilienpreise inzwischen weit draußen. „Dafür habe ich vollstes Verständnis, die müssen auf den Geldbeutel schauen, und sechs Liter Diesel auf 100 Kilometer kommen halt billiger als zehn Liter Super“, sagt Reitmeir. Die öffentlichen Verkehrsmittel seien für Menschen, die nicht gerade in der Nähe des Hauptbahnhofs arbeiten, oft keine Alternative: Mit dem Auto sei er einfach 45 Minuten unterwegs, mit der Bahn wären es seiner Schätzung nach eineinhalb Stunden.
Dieselbetrieben steuert auch Wolfgang Lösche aus Dießen die Handwerkskammer in der Max-Joseph-Straße in München an: Sein acht Jahre alter Citroën habe inzwischen 350 000 Kilometer auf dem Tacho, daher stehe bald eine Neuanschaffung an: „Ich überlege mir jetzt, ob ich auf einen Benziner umsteige“, sagt Lösche, auch wenn er bislang immer froh gewesen sei, „wenn ich an der Tankstelle etwas günstiger tanken konnte.“Ein Elektrofahrzeug ist für Lösche momentan noch keine Alternative: „Das ist mir noch zu teuer“, sagt er, auch von den möglichen Reichweiten sei er noch nicht ganz überzeugt, da er oft auch längere Dienstreisen unternehme.
Ein Vielfahrer ist auch (noch) Wolfgang Leichtenstern aus Schondorf. Er ist in ganz Deutschland im Außendienst für einen Medizinproduktehersteller tätig. „Ich bin jahrelang 50000 bis 60000 Kilometer im Jahr gefahren“, berichtet er. Er fährt einen BMW-Diesel der Euro6-Norm. Mögliche Dieselfahrverbote sieht er vergleichsweise entspannt: Das liege zum einen daran, dass er in ein paar Monaten in den Ruhestand geht. Allerdings will er seinen Dienst-Diesel mit in die Rente nehmen. Dessen Hersteller sei ja bislang ganz gut durch die DieselAffäre gekommen, sagt Leichtenstern, und privat fahre er eigentlich fast nie in die Münchner Innenstadt. ● Die Stadt Hohe Stickoxid-Konzentrationen müssen sich jedoch nicht nur auf die Metropolen be- schränken. Auch in Landsberg hat sich der städtische Umweltingenieur Rolf Mergler-Völkel schon damit befasst: Zuletzt wurde vor einem Jahr berechnet (nicht gemessen), wie hoch die Stickoxid-Belastung im Bereich Hauptplatz/Herkomerstraße ist. Zumindest nach dieser Rechnung ist diese mit 38 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht weit vom Grenzwert (40 Mikrogramm/ Kubikmeter) entfernt. Berechnet wird ein solcher Wert anhand des vorhandenen Verkehrs, den sich daraus ergebenden Emissionen und nach der räumlichen Situation, die darüber entscheidet, wie schnell sich die Schadstoffe ausbreiten können. Könnte auch in Landsberg eine Dieseldebatte entflammen? MerglerVölkel formuliert es so: „Wer einen Anlass für Verkehrsrestriktionen auf dem Hauptplatz sucht, könnte auf diese Möglichkeit kommen.“
● Der Händler Gelassen sieht man die wahrscheinlichen Diesel-Fahrverbote in Großstädten bei der Automobilbranche. „Das Urteil ändert aus unserer Sicht erst einmal nichts“, sagt Michael Huttner. Der Geschäftsführer des gleichnamigen VW- und Audi-Händlers in Landsberg hat jedoch festgestellt, dass die Diesel-Thematik in den vergangenen Monaten die Verbraucher sehr beschäftigt hat. „Die Kunden sind schon verunsichert. Viele haben Angst, dass sie in Zukunft nicht mehr in die großen Städte fahren dürfen.“Und es gebe sogar Kunden, die sich trotz einer jährlichen Laufleistung von rund 40000 Kilometern gegen den wirtschaftlicheren Kauf eines Dieselfahrzeugs entscheiden und wegen der aktuellen Debatten einen Benziner bestellen.
● Der ADAC Vorerst gelassen zu bleiben empfiehlt Diesel-Fahrern auch Dr. Reinhard Kolke, Leiter Test und Technik beim ADACTechnikzentrum in Landsberg. Für eventuelle Fahrverbote müssten erst – etwa in Form von Luftreinhalteplänen – die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden. Über Katalysator-Nachrüstungen (Kosten 1500 bis 3000 Euro) brauche man sich ebenfalls noch keine Gedanken machen. Auch dafür müssten erst die gesetzlichen Rahmenbedingungen vorliegen. Wer über einen Neuwagenkauf nachdenkt und als Langstreckenfahrer weiter gerne einen Selbstzünder haben möchte, der sollte darauf achten, dass ein solches Auto mindestens die Norm Euro 6d-temp einhält.
Lieber ein Benziner als ein Elektroauto
Der ADAC rät dazu, erst einmal gelassen zu bleiben