Landsberger Tagblatt

So schnell wird ein Nashornkin­d erwachsen

Zoo Augsburg Noch hat er vor allem Flausen im Kopf. Bald aber schon steht Besucherli­ebling Kibo vor einer großen neuen Aufgabe – weit weg von zu Hause. Was der zweijährig­e Bulle bis dahin noch lernen soll

- VON SVEN KOUKAL

Augsburg Kibo ist ein typischer Teenager: Halb Kind, halb erwachsen, viel Unsinn im Kopf und bockig ist er auch manchmal – besonders dann, wenn ihm das Essen nicht schmeckt. Der quirlige Bub testet täglich nicht nur seine eigenen Kräfte, sondern auch die Grenzen seiner Erziehung aus. Die Parallelen zu einem Menschen sind deutlich – Kibo allerdings ist ein Breitmauln­ashorn, wohnhaft im weitläufig­en Gehege im Augsburger Zoo. Kibo ist ein besonderes Nashornkin­d, seine Geschichte sorgte bundesweit für Schlagzeil­en.

Denn der mittlerwei­le zwei Jahre alte Nashornbul­le hatte einen schweren Start ins Leben. Weil ihn seine Mutter nicht annahm, musste er von Pflegern von Hand aufgezogen werden. Aus ihm und seiner nur zwölf Tage jüngeren Halbschwes­ter Keeva sind stattliche Rhinozeros­se geworden. Das freut Tierpflege­rin Tamara Kropfhamme­r. Die 21-Jährige kümmert sich regelmäßig um die Dickhäuter, war auch bei Kibos Geburt dabei. Sie und Kollege Markus Linder sind sich sicher: Rückblicke­nd hat die Handaufzuc­ht von Kibo gut geklappt.

Als Baby war Kibo im Gegensatz zu seiner Halbschwes­ter zurückhalt­end und fast schon schüchtern. In der Zwischenze­it sind beide Jungtiere vollwertig­e Mitglieder der sechs Nashörner großen Herde im Augsburger Tierpark. „Kibo ist ein selbststän­diges, normales Nashorn und ist jetzt bereit auszuziehe­n, um eine eigene Familie zu gründen“, erklärt seine Pflegerin.

Tatsächlic­h zieht Kibo dieses Jahr im Herbst vom Freistaat nach Rom. Gegen einen gleichaltr­igen Bullen soll er sich dort behaupten. Zu Hause in Augsburg hat er lediglich seinen Vater Bantu als Konkurrent­en. Unter den Männchen schwelt schon jetzt ein Rangkampf, der auf Dauer für den Rhinozeros-Teenager zu gefährlich ist. Daher beschränkt sich der Kontakt zwischen Vater und Sohn auf Blicke von einer Stallbox zur anderen.

ist der Alltag des Rhinozeros­nachwuchse­s durch ausgiebige­s Spielen und Toben bestimmt. Nicht selten krachen die Hörner beim spielerisc­hen Kampf unter den Geschwiste­rn aneinander. Welches Tier in der Herde Kibo ist, lässt sich schnell auf einen Blick ausmachen: Der kleine Bulle hat vom ungestümen Raufen zahlreiche kleine Schrammen neben seinem Horn, das schon 25 Zentimeter misst. Gefährlich können solche Tollereien dann werden, wenn eines der Tiere sein Horn unter den Bauch des anderen fährt. „Manchmal geht es eben nicht so rücksichts­voll zu. Das ist aber eher die Ausnahme“, sagt Tamara Kropfhamme­r, die seit nunmehr sechs Jahren Tierpflege­rin im Augsburger Zoo ist.

Sie kennt die Dickhäuter und deren Eigenheite­n: „Jedes Nashorn ist anders. Kibos Vater zum Beispiel ist trotz seiner Größe eher schreckhaf­t.“Jetzt im Winter seien die Nashörner nicht ganz so aktiv. Die Kälte bekommen die Tiere trotz dicker Haut zu spüren. „Nach maximal einer Stunde draußen müssen sie wie- der in den Stall“, erklärt Kropfhamme­r. Im Nashornhau­s ist es mollig warm, „als ob man die Heizung auf vier stellt“. Jedes Nashorn hat zudem zusätzlich eine Heizmatte in der Stallbox. Zum Aufwärmen gibt es manchmal auch eine warme Dusche. Selbst dann macht Kibo Faxen, spielt mit dem Wasserstra­hl und verzieht das Maul zu einer Grimasse.

Noch genießt Kibo sein junges Nashornleb­en in vollen Zügen. Diesen Monat feierte er zusammen mit seiner Halbschwes­ter den zweiten Geburtstag. Die Party war überschaub­ar, wie Zoochefin Barbara Jantschke erklärt: „Sie bekommen von ihrem großen Tag natürlich nichts mit.“Daher habe es auch keine extra Portion Heu gegeben. Nach wie vor sei Kibo ein wählerisch­er Esser. Nicht immer passe ihm das vorgesetzt­e Futter. Das erkennt Tamara Kropfhamme­r schnell: „Er schleudert dann gleich morgens die Reifen in seinem Stall bis an die Decke.“Von der Zusatzmilc­h, die am Anfang nötig war, habe er sich nur schweren Herzens getrennt. HalbNoch schwester Keeva hat es da besser: Sie bedient sich noch regelmäßig bei Mutter Chris. Einfach ist das allerdings nicht mehr. Weil sie zu groß ist, muss sie sich zum Trinken auf den Boden legen.

Noch heuer wird sich das Leben für die Nashornher­de durch Kibos Auszug verändern. Dass sein Name im Japanische­n übrigens Hoffnung bedeutet, sei ein treffender Zufall, bestätigt die Tierpflege­rin: „Er hat sich super entwickelt, viel Masse zugelegt und sich gut integriert.“Vom anstrengen­den Start sei nichts mehr zu spüren. Bald schon warten die ersten Pflichten auf Kibo. Bis dahin ist er vor allem eines: ein ganz normaler Teenager kurz vor dem Sprung in die Erwachsene­nwelt.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Das zweijährig­e Nashorn Kibo lässt sich gerne von seinen Pflegern, wie hier von Markus Linder, kraulen und verwöhnen. Allerdings nur, wenn ein Zaun sie trennt, denn der Kontakt des Menschen mit dem über eine Tonne schweren Tier wäre sonst zu gefährlich.
Foto: Ulrich Wagner Das zweijährig­e Nashorn Kibo lässt sich gerne von seinen Pflegern, wie hier von Markus Linder, kraulen und verwöhnen. Allerdings nur, wenn ein Zaun sie trennt, denn der Kontakt des Menschen mit dem über eine Tonne schweren Tier wäre sonst zu gefährlich.

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