Denken in Bildern
Ausstellung Olaf Nie zeigt seine Werke im Studio Rose. Ein Spiel mit der Wahrnehmung
Schondorf „Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich täglich mit bedrucktem Papier zu tun habe. Abbildungen zu den verschiedensten Themen aus weit voneinander entfernten Zeiten und in ganz unterschiedlichen Darstellungsweisen kommen zufällig nebeneinander zu liegen. So entstehen inhaltliche und ästhetische Beziehungen“, erläutert Olaf Nie den Entstehungsprozess seiner Collagen. Der gelernte Handbuchbindemeister aus Weßling ist mit seinem Hauptwerkmittel, dem Papier, bestens vertraut, denn neben Neuanfertigungen gehören auch Restaurierungen zu seinem Alltag.
Diese handwerkliche Kunstfertigkeit kommt auch seinen freien Arbeiten sehr zugute, so, dass seine von Hand ausgeschnittenen Bildteile und Kompositionen fast einer digitalen Bildbearbeitung ähneln. Aber eben nur ähneln, und darin liegt ein Gutteil des besonderen Reizes seiner Collagen, denn die Überlagerungen, die unterschiedliche Tiefenschärfe der Bildteile, die harten Schnittkanten machen einen Gestaltungsprozess erlebbar anstatt ihn zu maskieren. Das Ergebnis wird somit nicht zur Behauptung einer neuen Realität, sondern zum inspirierenden Spiel mit mehreren Wahrnehmungsebenen. Die singuläre Realität spaltet sich auf in ein Neben-, Über- und Durcheinander, das von großer Kreativität zeugt und diese auch im Betrachter hinsichtlich der Deutungsmöglichkeiten anfacht.
„Beim Zusammenprall der Einzelteile entsteht neben der sichtbar bleibenden Oberfläche mindestens eine weitere, neue Bedeutung. Eine Figur beispielsweise, aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgeschnitten, bekommt eine ganz andere Qualität: gewesene Perspektiven und Beziehungen fallen weg“, so der Künstler. Den Aspekt der kollektiven Mehrdeutigkeit sowie den Aufbau der Collagen als bildhaftes Muster für die Arbeitsweise des Gehirns hob auch Laudator Dr. Wolfgang Burgmair, Historiker und Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Psychiatrie München, besonders hervor: „Wir denken nicht anders, als Sie es hier in den Bildern sehen“, „die Bezüge sind vielschichtig, ganz wie im Gehirn“. Zugleich verteidigte er die Arbeitsweise des Collagierens als eine ernstzunehmende künstlerische Werkform, was nach mehr als 100 Jahren künstlerischer Tradition allgemein akzeptiert sein sollte. Die Arbeiten von Olaf Nie belegen diese Tatsache in jedem Fall einmal mehr.
„Ich habe kein festes Rezept, nach dem die Collagen komponiert werden. Eine Nachricht, eine Stimmung oder ein Traum mögen der Keim zu einer Arbeit sein. Von Fall zu Fall können deshalb Konstruktion und Lesart voneinander abweichen, sich auch widersprechen.“Auch die verwendeten bildlichen Versatzstücke weichen weit voneinander ab. So setzt Olaf Nie historische Kupferstiche beispielsweise mit aktuellen, dokumentarischen Fotografien zusammen, und das auf eine Art und Weise, die keine Dissoziation aufkommen lässt, sondern im Gegenteil sinnstiftende Zusammenhänge schafft und ästhetische Beziehungen ermöglicht.
Auch von scheinbaren Unverrückbarkeiten lässt er sich nicht beeinflussen: Er kippt Perspektiven und lässt aus Konstruktionszeichnungen Architekturen wachsen, verkehrt durch seine Kompositionen Zusammenhänge und erschafft aberwitzige Szenerien, die in ihrer Surrealität eine visionäre Erkenntnis bergen. Da fliehen Kröten und Frösche vor dem Golem der industrialisierten Landwirtschaft, es lacht Kim
Politik, Kunstgeschichte und Geschlechterrollen
Jong-un über eine vorindustrielle, ausbeuterische Arbeitssituation und Donald Trump wiegt als „Madonna“einen Säugling aus Geldscheinen, während das Kind selbst am Bildrand zu seinen Füßen schläft. Doch nicht alles ist Politik, einiges verweist auf die Kunstgeschichte, anderes auf tradierte Geschlechterrollen oder weitere zwischenmenschliche Themen.
Alles in allem ist die Ausstellung mit knapp 50 Collagen eine eindrucksvolle und sehenswerte Werkschau. Die Ausstellung „Geklebte Welten“mit Collagen von Olaf Nie im Schondorfer Studio Rose ist nochmals am Wochenende, 17. und 18. März, jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet.