Ein Angebot für Ältere
Mobilität Das Angebot der Stadt Landsberg an ältere Menschen, den Führerschein gegen eine Jahreskarte für den Stadtbus einzutauschen, wird gut angenommen
In Landsberg können Senioren ihren Führerschein gegen eine Jahreskarte für den Stadtbus eintauschen. Das Angebot wird offenbar gut angenommen.
Landsberg Früher war der Führerschein grau, groß und aus ledrigem Papier. Im Volksmund: der Lappen. Nach einigen Jahren passte sich der Lappen seinem Besitzer an, anfangs weich und geschmeidig, später verknittert und oft arg mitgenommen. Heute ist der Führerschein ein schickes, aber seelenloses Scheckkärtchen. Einige graue Lappen tauchen gerade im Bürgerbüro auf, wo die Verwaltungsfachangestellte Patricia Banning sie gegen eine kostenlose Seniorenjahreskarte im Gegenwert von 206 Euro für den öffentlichen Nahverkehr eintauscht.
Seit Anfang des Jahres bietet die Stadt Landsberg mit dem Landratsamt diesen Tausch an, um älteren Verkehrsteilnehmern einen Anreiz bieten, auf das Autofahren zu verzichten: Der Führerschein wird endgültig und unwiderruflich abgegeben. Dafür gibt es ein Busticket, das im gesamten Streckennetz des Stadtbusses eingesetzt werden kann und ein Jahr Gültigkeit besitzt. Bereits 47 Senioren haben dieses Angebot in Anspruch genommen.
Ute Starke war die Erste. Die 77-Jährige war lange Jahre eine „leidenschaftliche Autofahrerin“, doch dann kamen Knieprobleme und Operationen, und als sie zum Englischen Garten umzog, beschloss sie, aufs Auto zu verzichten. Doch den Führerschein, seit einigen Jahren sicher in der Dokumentenmappe verwahrt, wirklich abzugeben, das sei doch noch mal ein Schritt, sagt sie. „Es tut schon weh, wenn man nacheinander alles abhaken muss.“Und wirft gleich darauf ein, „Quatsch, man hat so viele Möglichkeiten.“Jetzt setzt sie sich oft in den Bus und entdeckt unbekannte Gegenden. So habe sie einen Segelflugplatz in der Nähe von Dießen entdeckt und sich gleich einen Traum erfüllt: die Zugspitze von oben sehen. Auch eine Mitfahrt morgens im Schulbus sei unglaublich interessant. „Ich mache das gerne, neue Dinge entdecken.“
Rita Scholz ist 76 Jahre alt und wohnt gleich hinter dem Rathaus. Der Weg zu ihrem Tiefgaragenstellplatz sei mittlerweile mühevoller und länger als der zum CAP-Markt um die Ecke, sagt sie. „Da ist es doch viel geschickter, selbst wenn ich zum Klinikum hochfahre, muss ich nicht erst einen Parkplatz suchen und danach mein Auto wiederfinden.“Nur an die festen Abfahrtszeiten müsse sie sich gewöhnen.
Viele Senioren, die in der Stadt wohnen, benutzen das Auto schon seit Jahren nicht mehr, bei ihnen rennt die Stadt quasi offene Türen ein. Joachim Wehnelt etwa hat eine altersbedingte Augenkrankheit und bemerkte früh, dass er sich als Autofahrer anderen nicht mehr zumuten könne. „Welche Stadt ist denn so großzügig und spendiert dann ein Busticket?“, freut sich der 86-Jährige. Seine Frau Helena will mit fast 70 Jahren auch das Angebot der Stadt annehmen. „Die Bushaltestelle liegt ja direkt bei uns vor der Haustür.“
Auch Heinz Ewald, 72, war das Autofahren nach einer Augenkrankheit zu riskant. Der Berliner ist seinem hier bei der Bundeswehr statiozu nierten Sohn gefolgt, „wir haben uns gleich in Landsberg verliebt,“und wohnt seitdem am Englischen Garten. Von dort könne man alles auch bequem zu Fuß erreichen.
Edith Lauterbach fährt mit ihren 83 Jahren schon seit gut zehn Jahren nicht mehr Auto. „Wir fahren sowieso mit dem Omnibus, und jetzt muss ich den Führerschein nicht mehr in der Tasche rumtragen.“Ein Jahr frei Bus fahren, da habe sie gleich zugegriffen. Im Notfall hat ihr Mann noch den Führerschein und kann sie herumfahren.
Fahrtauglichkeitsuntersuchungen für ältere Pkw-Fahrer gibt es in vielen Ländern. Deutschland verzichtet bislang darauf. Das Thema ist emotional und wird kontrovers diskutiert. Mobilität wird mit Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit verbunden. Laut Statistischem Bundesamt sind Autofahrer, die älter als 75 Jahre sind, bei drei von vier Unfällen, an denen sie beteiligt sind, auch die Hauptverursacher. Ihr Anteil liegt damit über der Gruppe der Fahranfänger bis 24 Jahre. In der Stadt mag ein GratisBusticket ein positiver Anreiz sein, das eigene Fahrvermögen zu überdenken. Auf dem Land mit schlechten öffentlichen Verkehrsanbindungen sieht es freilich anders aus.
Viele fahren schon seit Jahren nicht mehr mit dem Auto