Landsberger Tagblatt

Söder legt los – Seehofer auch

Wahl Der neue bayerische Ministerpr­äsident hat die Rückendeck­ung der CSU-Fraktion. Doch sein Vorgänger bestimmt die Schlagzeil­en und bringt damit die Kanzlerin gegen sich auf

- VON ULI BACHMEIER, MICHAEL STIFTER UND FELICITAS LACHMAYR

Keine Stimme fehlte. Zumindest rein rechnerisc­h haben am Freitag im Landtag alle 99 anwesenden CSU-Abgeordnet­en Markus Söder zum bayerische­n Ministerpr­äsidenten gewählt – auch sein Vorgänger Horst Seehofer. Dieser wollte, wie von der Tribüne aus zu beobachten war, offenbar alle Zweifel aus der Welt schaffen und zeigte Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer seinen Stimmzette­l, bevor er ihn in die Urne warf. Bis zur Vereidigun­g seines Rivalen Söder aber blieb Seehofer nicht – wegen eines wichtigen Termins, wie er sagte. Die ganze Aufmerksam­keit gönnte er seinem Nachfolger, für den er seinen Platz erst nach monatelang­em Machtkampf geräumt hatte, offenbar auch nicht. Denn es war nicht Söder, der an diesem Tag die Schlagzeil­en beherrscht­e.

Der neue Bundesinne­nminister Seehofer hatte der Bild zuvor ein Interview gegeben. „Nein. Der Islam gehört nicht zu Deutschlan­d“, stell- te er darin klar und provoziert­e den ersten Krach in der Großen Koalition. Der Konter folgte prompt – und von höchster Stelle. Die Kanzlerin ließ mit Blick auf Millionen von Muslimen, die hier leben, mitteilen: „Auf der Basis unserer Werte- und Rechtsordn­ung gehört auch deren Religion, gehört auch der Islam inzwischen zu Deutschlan­d.“Der Vorsitzend­e des Islamrates, Burhan Kesici, reagierte entsetzt auf Seehofers Worte. „Das zeigt, dass er den Umgang mit Muslimen noch lernen muss“, sagte er auf Nachfrage und fügte hinzu: „Es wäre besser, die Realität anzuerkenn­en und Muslime als Teil der Gesellscha­ft zu sehen.“

Immerhin: Von CSU-Parteifreu­nden bekam Seehofer volle Unterstütz­ung. Bundestags-Vizepräsid­ent Hans-Peter Friedrich und der Landesgrup­pen-Vorsitzend­e Alexander Dobrindt stellten sich im Gespräch mit unserer Zeitung hin- ter ihn. „Wir sind ein vom Judentum und Christentu­m geprägtes Land. Nichts und niemand wird uns dazu bringen, diese Identität zu verleugnen, infrage zu stellen oder zu verwässern“, sagte Friedrich. Auch Dobrindt verteidigt­e seinen Chef: „Unser Brauchtum, unsere Traditione­n, unsere Leitkultur und unsere Werte sind christlich geprägt. Diese Tatsache hat Horst Seehofer zu Recht beschriebe­n – und damit formuliert, was eine überwältig­ende Mehrheit denkt.“

Vertritt die Kanzlerin also eine Minderheit­enmeinung? Auch Söder schloss sich jedenfalls der SeehoferLi­nie an. „Muslime, die in Deutschlan­d leben, Steuern zahlen, arbeiten, sich einbringen und sich auf der deutschen Wertebasis bewegen, sind fester Bestandtei­l der Gesellscha­ft“, sagte er im ZDF. Er betonte allerdings zugleich: „Aber der Islam gehört kulturgesc­hichtlich nicht zu Deutschlan­d.“Die neue CSU-Doppelspit­ze funktionie­rt – zumindest an diesem ersten Tag.

Endlich am Ziel angekommen, wollte sich Söder die Laune auch nicht vom Gerücht verderben lassen, dass von den 99 Stimmen eine oder zwei aus den Reihen der Freien Wähler gekommen sein sollen. Was bedeuten würde, dass ihn doch nicht alle CSU-Leute gewählt haben. „Was für ein Tag! Ich gebe zu, ich bin etwas ergriffen“, sagte der 51-Jährige und kündigte an: „Ich will mich um die großen Linien sorgen, ehrlich gesagt aber auch um die Probleme der Menschen kümmern, auch wenn es kleine Probleme sein sollten.“Die Opposition im Landtag ließ sich von der Feiertagss­timmung nicht anstecken. SPD-Chefin Natascha Kohnen forderte einen respektvol­leren Umgang miteinande­r und der Grünen-Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann attestiert­e Söder „ideologisc­he Verbohrthe­it“.

Im Leitartike­l schreibt Walter Roller über die neue CSU. Auf Bay

ern erzählt Uli Bachmeier vom großen Söder-Tag. Und in der Politik geht die Islam-Debatte weiter.

„Der Islam gehört nicht zu Deutschlan­d.“

Horst Seehofer

„Was für ein Tag! Ich gebe zu, ich bin etwas ergriffen.“

Markus Söder

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