Söder legt los – Seehofer auch
Wahl Der neue bayerische Ministerpräsident hat die Rückendeckung der CSU-Fraktion. Doch sein Vorgänger bestimmt die Schlagzeilen und bringt damit die Kanzlerin gegen sich auf
Keine Stimme fehlte. Zumindest rein rechnerisch haben am Freitag im Landtag alle 99 anwesenden CSU-Abgeordneten Markus Söder zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt – auch sein Vorgänger Horst Seehofer. Dieser wollte, wie von der Tribüne aus zu beobachten war, offenbar alle Zweifel aus der Welt schaffen und zeigte Fraktionschef Thomas Kreuzer seinen Stimmzettel, bevor er ihn in die Urne warf. Bis zur Vereidigung seines Rivalen Söder aber blieb Seehofer nicht – wegen eines wichtigen Termins, wie er sagte. Die ganze Aufmerksamkeit gönnte er seinem Nachfolger, für den er seinen Platz erst nach monatelangem Machtkampf geräumt hatte, offenbar auch nicht. Denn es war nicht Söder, der an diesem Tag die Schlagzeilen beherrschte.
Der neue Bundesinnenminister Seehofer hatte der Bild zuvor ein Interview gegeben. „Nein. Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, stell- te er darin klar und provozierte den ersten Krach in der Großen Koalition. Der Konter folgte prompt – und von höchster Stelle. Die Kanzlerin ließ mit Blick auf Millionen von Muslimen, die hier leben, mitteilen: „Auf der Basis unserer Werte- und Rechtsordnung gehört auch deren Religion, gehört auch der Islam inzwischen zu Deutschland.“Der Vorsitzende des Islamrates, Burhan Kesici, reagierte entsetzt auf Seehofers Worte. „Das zeigt, dass er den Umgang mit Muslimen noch lernen muss“, sagte er auf Nachfrage und fügte hinzu: „Es wäre besser, die Realität anzuerkennen und Muslime als Teil der Gesellschaft zu sehen.“
Immerhin: Von CSU-Parteifreunden bekam Seehofer volle Unterstützung. Bundestags-Vizepräsident Hans-Peter Friedrich und der Landesgruppen-Vorsitzende Alexander Dobrindt stellten sich im Gespräch mit unserer Zeitung hin- ter ihn. „Wir sind ein vom Judentum und Christentum geprägtes Land. Nichts und niemand wird uns dazu bringen, diese Identität zu verleugnen, infrage zu stellen oder zu verwässern“, sagte Friedrich. Auch Dobrindt verteidigte seinen Chef: „Unser Brauchtum, unsere Traditionen, unsere Leitkultur und unsere Werte sind christlich geprägt. Diese Tatsache hat Horst Seehofer zu Recht beschrieben – und damit formuliert, was eine überwältigende Mehrheit denkt.“
Vertritt die Kanzlerin also eine Minderheitenmeinung? Auch Söder schloss sich jedenfalls der SeehoferLinie an. „Muslime, die in Deutschland leben, Steuern zahlen, arbeiten, sich einbringen und sich auf der deutschen Wertebasis bewegen, sind fester Bestandteil der Gesellschaft“, sagte er im ZDF. Er betonte allerdings zugleich: „Aber der Islam gehört kulturgeschichtlich nicht zu Deutschland.“Die neue CSU-Doppelspitze funktioniert – zumindest an diesem ersten Tag.
Endlich am Ziel angekommen, wollte sich Söder die Laune auch nicht vom Gerücht verderben lassen, dass von den 99 Stimmen eine oder zwei aus den Reihen der Freien Wähler gekommen sein sollen. Was bedeuten würde, dass ihn doch nicht alle CSU-Leute gewählt haben. „Was für ein Tag! Ich gebe zu, ich bin etwas ergriffen“, sagte der 51-Jährige und kündigte an: „Ich will mich um die großen Linien sorgen, ehrlich gesagt aber auch um die Probleme der Menschen kümmern, auch wenn es kleine Probleme sein sollten.“Die Opposition im Landtag ließ sich von der Feiertagsstimmung nicht anstecken. SPD-Chefin Natascha Kohnen forderte einen respektvolleren Umgang miteinander und der Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann attestierte Söder „ideologische Verbohrtheit“.
Im Leitartikel schreibt Walter Roller über die neue CSU. Auf Bay
ern erzählt Uli Bachmeier vom großen Söder-Tag. Und in der Politik geht die Islam-Debatte weiter.
„Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“
Horst Seehofer
„Was für ein Tag! Ich gebe zu, ich bin etwas ergriffen.“
Markus Söder