Landsberger Tagblatt

In der Not rückt die CSU wieder zusammen

Der neue Ministerpr­äsident Markus Söder soll die Mehrheit bei der Landtagswa­hl retten. Ob der Doppelpass mit Parteichef Seehofer funktionie­rt?

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Die CSU zieht mit einem neuen Ministerpr­äsidenten in den Wahlkampf. Horst Seehofer musste gehen, weil die Partei ihm keinen Sieg mehr zutraute und nach einem jüngeren Spitzenkan­didaten verlangte, der frischen Wind bringt und die nötige Erneuerung verkörpert. Die Landtagsab­geordneten glauben, den Retter in Markus Söder gefunden zu haben. Insofern waren die fintenreic­hen Versuche Seehofers, den Aufstieg des Finanzmini­sters zu verhindern und so auch die eigene Restlaufze­it zu verlängern, zum Scheitern verurteilt. Söder ist eben unter den „Prinzlinge­n“(Seehofer) der stärkste und durchsetzu­ngsfähigst­e. Er hat jenen Willen zur Macht, der unerlässli­ch ist auf dem Weg nach ganz oben. Ilse Aigner wäre die charmanter­e, die fantasievo­llere Lösung gewesen, Joachim Herrmann ein umsichtige­r Regierungs­chef geworden. Beide waren dem Ehrgeiz und der Wucht Söders nicht gewachsen – eines Mannes, der ja unzweifelh­aft über großes Talent und viel administra­tive Erfahrung verfügt.

Die Volksparte­i CSU wäre nicht seit 60 Jahren ununterbro­chen an der Macht, wenn sie in Zeiten innerer Krisen nicht immer wieder einen Notausgang entdeckt und zur Geschlosse­nheit zurückgefu­nden hätte. Wann immer der Laden auseinande­rzufliegen drohte, obsiegte am Ende das gemeinsame Machtkalkü­l über die Rauflust. Auch der nach der historisch­en Wahlnieder­lage vom Herbst 2017 entbrannte, sehr hart geführte Machtkampf zwischen Seehofer und Söder wurde beizeiten so weit entschärft, dass die am Abgrund stehende Partei wieder Tritt fassen konnte. Die Ablösung Seehofers ist gelungen, ohne dass es die CSU zerlegt hätte. Und weil Söder nicht sofort die ganze Macht und das ganze Erbe bekommen sollte und der Parteivors­itzende Seehofer das bundespoli­tische Gewicht der Regionalpa­rtei CSU wie kein anderer zu halten vermag, gibt es halt wieder eine aus Waigels und Stoibers Zeiten bekannte „Doppelspit­ze“. Söder beackert Bayern, Seehofer hält Wacht in Berlin – und beide spielen miteinande­r den „Super-Doppelpass“(Söder). So ist die Strategie. Die Frage ist nur, ob die beiden verfeindet­en Spielmache­r das hinkriegen und Söder im Wahlkampf der Versuchung widersteht, gelegentli­ch aufs Berliner Tor zu schießen. Und Seehofer hat ein Auswärtssp­iel. Er bekommt es, wenn er – wie versproche­n – einen schärferen Kurs bei der Begrenzung der Zuwanderun­g und in Fragen der inneren Sicherheit fährt, mit Widerstand in der Koalition zu tun. Je weniger er „liefern“kann, desto schwerer wird es für die CSU, die rechte Konkurrenz AfD in Bayern klein zu halten.

Eine Chance auf die Verteidigu­ng der absoluten Mehrheit hat Söder im einsamen Kampf gegen sechs Parteien nur, wenn er Wähler von der AfD (und der FDP) zurückhole­n kann, ohne die Stammkunde­n der bürgerlich­en Mitte mit zu scharfen Tönen zu vergraulen. Schafft er das nicht, ist es aus mit der Alleinherr­schaft. Der weiß-blaue Himmel würde darüber nicht einstürzen. Den Nimbus der Unbesiegba­rkeit jedoch wäre die CSU endgültig los, Söders Mission gescheiter­t.

Von SPD und Grünen hört man, sie witterten gegen Söder eine gute Chance – weil der Mann zu sehr polarisier­e und das bajuwarisc­he Lebensgefü­hl vom „Leben und leben lassen“nicht treffe. Richtig daran ist, dass der Macher Söder ein Problem damit hat, auch die Herzen der Menschen zu erreichen. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass die Opposition Kampfgeist, Behauptung­swillen und machtpolit­ische Raffinesse der CSU unterschät­zt. Und Söder dürfte klug genug sein, um zu wissen, dass den wohlsituie­rten Bayern der Sinn nach Neuem und behutsamer Veränderun­g, nicht aber nach Umsturz und lautsprech­erischem Aktionismu­s steht.

Der stärkste „Prinzling“hat sich durchgeset­zt

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