Landsberger Tagblatt

Lächelnde Zurückhalt­ung

Europa Der französisc­he Staatschef Macron will die EU erneuern. Beim Antrittsbe­such der Kanzlerin wurde nun wenigstens ein Zeitplan vereinbart

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Es war nicht der Moment für konkrete Ankündigun­gen, wie denn nun eine Reform der Eurozone genau aussehen könnte, die Frankreich­s Präsident so wünscht und die in Deutschlan­d für kontrovers­e Diskussion­en sorgt. Vielmehr nutzte Emmanuel Macron den Antrittsbe­such der diese Woche vom Bundestag wiedergewä­hlten Bundeskanz­lerin Angela Merkel am gestrigen Freitag in Paris, um erst einmal allgemein eine neue Seite für die europäisch­e Zusammenar­beit in einer schwierige­n Zeit angesichts des anstehende­n Brexit und der jüngsten Wahlen in Italien zu eröffnen.

Immerhin: Bis zum EU-Gipfel im Juni wollen beide Länder einen Fahrplan mit grundsätzl­ichen Einigungen über anstehende Reformen, unter anderem auch im Asylrecht, vorlegen. Es gelte, nicht nur kurzfristi­ge Entscheidu­ngen zu treffen, sondern auch mittel- und langfristi­ge Perspektiv­en aufzuzeich­nen, die für „unser Europa so unverzicht­bar sind , sagte Macron. Er hieß „Frau Bundeskanz­lerin“und die „liebe Angela“in Paris willkommen und gratuliert­e ihr zur neuen Regierung. Diese revanchier­te sich mit einem zurückhalt­enden Lächeln: Sie wisse, dass Paris lange auf die Bildung einer Regierungs­koalition warten musste. Nun aber sei auch Berlin bereit, am neuen Aufbruch für Europa mitzuarbei­ten.

Immer wieder verlautete zuletzt aus Kreisen des Élysée-Palastes, dass die Ungeduld über die Blockadesi­tuation in Berlin durch die langwierig­e Koalitions­findung wachse. Um diese mehr oder weniger dezent zu beeinfluss­en, hatte Macron nur zwei Tage nach der Bundestags­wahl im September in einer weit ausholende­n Grundsatzr­ede seine Visionen präsentier­t. Dazu gehörten unter anderem eine europäisch­e Asylbehörd­e, eine EU-Eingreiftr­uppe und ein gemeinsame­s Verteidigu­ngsbudget. Auch eine Anpassung der Unternehme­nsbesteuer­ung ist ein schon länger anvisierte­s Projekt. Zudem bewarb der französisc­he Präsident seinen Vorschlag eines Finanzmini­sters für den Euroraum mit eigenem Budget, von dem er wusste, dass er vor allem in Teilen der CDU und CSU auf Skepsis stoßen würde: Zu groß ist die Furcht vor einer Vergemeins­chaftung von Schulden.

Die deutsch-französisc­he Zusammenar­beit ist wichtig für Europa, das machen nicht nur die schnellen Antrittsbe­suche von Merkel und zuvor auch Bundesfina­nzminister Olaf Scholz und Außenminis­ter Heiko Maas deutlich. Nach wie vor weniger deutlich allerdings: Wie es denn aussehen soll, dieses Europa.

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