Landsberger Tagblatt

Nervengift im Koffer?

Mordanschl­ag In Großbritan­nien wird über den Hergang der Tat spekuliert

-

London/Moskau Offiziell ist über den genauen Hergang des Giftanschl­ags auf den Ex-Doppelagen­ten Sergej Skripal nicht allzu viel bekannt. Doch es wird eifrig spekuliert: Das für den Anschlag auf Skripal verwendete Nervengift könnte nach einem Medienberi­cht im Koffer von dessen Tochter versteckt gewesen sein. Davon gingen Geheimdien­stkreise aus, berichtete die britische Zeitung The Daily Telegraph – allerdings, ohne eine eindeutige Quelle zu nennen.

Die extrem gefährlich­e Substanz Nowitschok sei bei einem Aufenthalt von Yulia Skripal in Moskau heimlich in ihrem Koffer deponiert worden – in einem Kleidungss­tück, einem Kosmetikpr­odukt oder einem Geschenk. Als die Tochter anschließe­nd den Vater in England besucht habe, soll sie das Gift dem Bericht zufolge unwissentl­ich freigesetz­t haben. Russland setzt nach Worten von Außenminis­ter Sergej Lawrow nun auch auf eine Aussage des Opfers Skripal. „Warum fragen wir nicht einfach den Betroffene­n selbst, wenn es ihm hoffentlic­h besser geht?“, sagte Lawrow in Astana. „Wahrschein­lich kann er am ehesten Aufschluss über vieles geben, was an jenem Tag passiert ist, als die Tragödie geschah.“

Der 66-jährige Skripal und seine Tochter Yulia, 33, kämpfen in einer Klinik um ihr Leben. Sie waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in der südenglisc­hen Stadt Salisbury entdeckt worden. Nach britischen Angaben wurden sie Opfer des Nervengift­s Nowitschok, das in der Sowjetunio­n entwickelt worden war. London glaubt, dass Moskau an dem Anschlag beteiligt war.

Der britische Außenminis­ter Boris Johnson hatte den Konflikt mit Moskau gestern weiter angeheizt, indem er den russischen Präsidente­n direkt mit dem Giftanschl­ag in Verbindung brachte. „Wir halten es für höchstwahr­scheinlich, dass es seine Entscheidu­ng war“, sagte der konservati­ve Politiker. Außerdem kündigte Johnson an, internatio­nalen Fachleuten eine Untersuchu­ng des Nervengift­s zu ermögliche­n, das bei dem Anschlag verwendet worden ist. Polizei und Regierung in London arbeiteten daran, der Organisati­on für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) „die Möglichkei­t zu geben, unsere Analyse von unabhängig­er Seite zu überprüfen”, schreibt Johnson in der FAZ.

Gleichzeit­ig wurde bekannt, dass auch Russland Ermittlung­en eingeleite­t hat. Allerdings mit einer anderen Stoßrichtu­ng: Untersucht werden soll die „versuchte Ermordung“

Auch Russland ermittelt nun im Fall Skripal

der Tochter von Sergej Skripal. Dies teilte ein „russisches Ermittlung­skomitee“in Moskau mit.

Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g hat in der BBC vor einem „neuen Kalten Krieg“und einem „Rüstungswe­ttlauf“gewarnt. Russland zu isolieren sei „keine Alternativ­e“. Stoltenber­g erklärte, dass er aber nicht an der britischen Einschätzu­ng zweifele, wonach Moskau für den Giftanschl­ag verantwort­lich ist. Auch in Deutschlan­d wird über Reaktionen diskutiert. Im Gespräch ist auch ein Boykott der FußballWM, die im Juni in Russland stattfinde­t. Davon hält Kanzlerin Angela Merkel nichts. Es gehe jetzt vielmehr um eine rasche Aufklärung des Anschlages, sagte Merkel. Bundesauße­nminister Heiko Maas sagte indes bei seinem Antrittsbe­such in Polen, der Anschlag dürfe nicht folgenlos bleiben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany