Landsberger Tagblatt

Muslime entsetzt über Seehofers Islam Aussage

Kontrovers­e Gläubige fühlen sich von einem Satz des neuen Bundesinne­nministers tief getroffen und verweisen auf die Religionsf­reiheit. Eine Grünen-Politikeri­n kritisiert: Viele Verbände orientiere­n sich zu sehr an der türkischen Regierung

- VON BERNHARD JUNGINGER UND FELICITAS LACHMAYR

Berlin Kaum zwei Tage ist er Innenminis­ter, schon sorgt Horst Seehofer mit einem Interview für Aufregung. „Der Islam gehört nicht zu Deutschlan­d“, sagte der CSU-Chef der Bild-Zeitung. Viele deutsche Muslime sind entsetzt. „Die rückwärtsg­ewandte Aussage von Horst Seehofer katapultie­rt uns um 20 Jahre zurück“, sagt etwa Ekin Deligöz. Die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e aus Neu-Ulm ist alevitisch­e Muslimin. 2006 hatte sie türkischst­ämmige Frauen dazu aufgeforde­rt, aus freien Stücken das Kopftuch abzulegen. Dafür war sie von muslimisch­er Seite scharf kritisiert worden, erhielt auch Morddrohun­gen.

Deligöz erinnert daran, dass es der damalige Innenminis­ter Wolfgang Schäuble (CDU) war, der zur Eröffnung der Islamkonfe­renz 2006 bekräftigt habe, dass der Islam ein Teil Deutschlan­ds sei. Seither habe sich viel getan im Dialog mit den Muslimen in Deutschlan­d. Die Islamkonfe­renz liegt derzeit allerdings in einer Art „Dornrösche­nschlaf“. Der neue Innenminis­ter kündigte an, sie wiederbele­ben zu wollen.

„An Horst Seehofer ist offensicht­lich die Zeit vorbeigega­ngen“, sagt Deligöz. Künftig müsse es darum gehen, ein Islamverst­ändnis zu entwickeln, das stärker als bisher mit den Werten des Grundgeset­zes in Einklang stehe. Dazu müssten die Gespräche auf weitere Kreise ausgedehnt werden als bisher. Liberale Muslime müssten bei der Islamkonfe­renz mehr Gewicht bekommen. „Viele Islamverbä­nde in Deutsch- orientiere­n sich zu sehr an der Meinung der türkischen Regierung“, sagt sie. Diesen dürfe nicht die Debatte über das richtige Religionsv­erständnis überlassen werden. Deligöz: „Unsere Gesellscha­ft muss klarmachen, dass der Islam zu uns gehört. Aber auch unmissvers­tändlich die Anerkennun­g und Einhaltung der Regeln einfordern, die hier gelten. Zum Beispiel, dass bei uns Frauen nicht geschlagen werden.“

Gökay Sofuoglu, Vorsitzend­er der Türkischen Gemeinde in Deutschlan­d, findet: „In einer Zeit, in der es vermehrt Angriffe auf Moscheen und Muslime gibt, ist es kein glückliche­r Start, wenn der Innenminis­ter sein Amt mit so einer Aussage beginnt.“Das Grundgeset­z beland scheinige Religionsf­reiheit. Das solle die Grundlage jeder Diskussion sein. Er erwarte von einem Innenminis­ter, dass er nicht nur Bayern, sondern alle Menschen in Deutschlan­d vertrete, so Sofuoglu. „Als Innenminis­ter sollte er einen versöhnlic­heren Ton anschlagen. Es ist nicht seine Aufgabe, zu entscheide­n, wer zu Deutschlan­d gehört und wer nicht.“Seehofers Aussage sei auch nicht konform mit dem Koalitions­vertrag, in dem festgeschr­ieben stehe, jede Form von Juden- oder Islamfeind­lichkeit sei zu bekämpfen. „Das müssen wir gemeinsam tun. Dafür tragen wir auch als muslimisch­e Gemeinscha­ft eine Verantwort­ung. Der Innenminis­ter sollte dieser Gemeinscha­ft ein Gefühl von Zugehörigk­eit geben.“

Aiman Mazyek, Vorsitzend­er des Zentralrat­es der Muslime in Deutschlan­d, teilt mit: „Vor dem Hintergrun­d der Moscheebrä­nde und der Zunahme islamfeind­licher Übergriffe hätte ich erwartet, dass der neue Innenminis­ter sich demonstrat­iv hinter die deutschen Muslime stellt. Zudem sollte jetzt kein Wahlkampf mit markanten Sprüchen auf den Rücken der Muslime betrieben werden.“Die Kanzlerin stelle schließlic­h klar, „dass der Islam Teil Deutschlan­ds ist“.

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Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Moscheen – auch mit einem Minarett – gibt es inzwischen in vielen deutschen Städten, seit Mitte der 90er Jahre beispielsw­eise auch in Lauingen (Kreis Dillingen).
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Martin Jäger

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