Landsberger Tagblatt

Wie verändert sich unsere Arbeit? Interview

- Von Christina Heller

Das Schlagwort Digitalisi­erung ist für viele mit Sorgen verbunden. Es wird sich zwar einiges ändern, aber die Ängste seien nicht begründet, sagt der Arbeitswis­senschaftl­er Bernd Dworschak /

Herr Dworschak, wenn Sie zehn Jahre in die Zukunft blicken, was ist in der Arbeitswel­t noch so wie heute?

Bernd Dworschak: Ich bin kein Prophet. Aber die Dinge ändern sich weniger schnell, als wir vermuten. Wenn wir zurückscha­uen, was sich in den vergangene­n zehn Jahren verändert hat, ist das ein zentraler Aspekt: die mobilen Endgeräte. Das iPhone ist 2007 auf den Markt gekommen. Das hat unsere Arbeit stark verändert. Aber in vielen anderen Dingen arbeiten wir wie vor zehn Jahren. Und manches wird gleich wichtig bleiben. Zum Beispiel die Erfahrung von Mitarbeite­rn. Dazu kommen Kreativitä­t, Spontanitä­t und Problemlös­ungsfähigk­eiten. Das hat der Mensch den Maschinen noch voraus.

Und was wird sich in den nächsten zehn Jahren auf jeden Fall verändern?

Dworschak: Ich glaube, wir werden anders zusammenar­beiten. Die Arbeit wird zeitlich flexibler. Wir werden örtlich weniger gebunden sein. Die technische­n Möglichkei­ten haben sich so verbessert, dass man virtuell besser zusammenar­beiten kann – etwa in Video-Konferenze­n. Das reicht bis zum Bewegen in virtuellen Räumen. Diese Technologi­en sind schon relativ ausgereift und auf dem Weg in die Unternehme­n oder schon da.

Beim Schlagwort Digitalisi­erung haben viele Menschen Sorgen, etwa wenn es um die Frage geht, ob Jobs abgebaut werden. Sind solche Ängste begründet? Dworschak: Die Antwort ist ein klares Jein. Wenn man in die Vergangenh­eit schaut, ist es nicht das erste Mal, dass wir solche Veränderun­gen erleben. Vor 20, 30 Jahren hieß es

schon mal, die Computer nehmen uns die Arbeit weg. In Deutschlan­d ist das Gegenteil eingetrete­n. Außerdem sind wir in Deutschlan­d bezogen auf das Bildungs- und Ausbildung­ssystem gut aufgestell­t. Wir haben sehr gute Chancen.

Also sind die Sorgen unbegründe­t? Dworschak: In manchen Bereichen sind die Sorgen berechtigt. Es war in jeder Rationalis­ierungswel­le so, dass Stellen weggefalle­n sind. Jetzt betrifft es Jobs, die viel Routine und einfache Sachaufgab­en beinhalten. Die lassen sich leicht automatisi­eren. Die Unternehme­n sagen offen, dass in manchen Bereichen Arbeitsplä­tze wegfallen werden.

In welchen?

Dworschak: Die Transforma­tion zur Elektromob­ilität wird Arbeitsplä­tze kosten. Weil weniger Teile hergestell­t werden müssen als für einen Verbrennun­gsmotor. Wir sehen diese Entwicklun­g auch bei Versicheru­ngen oder Banken. Dort bauen Unternehme­n schon seit langem Arbeitsplä­tze ab, weil sie Routinetät­igkeiten etwa in der Sachbearbe­itung digitalisi­eren. Die Frage, die sich stellt, ist, welche Alternativ­en die Unternehme­n ihren Beschäftig­ten anbieten können.

Und was könnte das sein? Dworschak: In kundenorie­ntierten Branchen können Mitarbeite­r mehr in der Kundenbera­tung arbeiten. Für die Mitarbeite­r und die Kunden ist es ein Gewinn, wenn Zeit für anderes bleibt. In der Pflege wäre das auch ein wünschensw­erter Effekt. Es muss aber darauf geachtet werden, dass die neue Aufgabe kreative, problemlös­ende Aspekte beinhaltet, sonst ist der Job in der nächsten Runde der Digitalisi­erung wieder bedroht.

Das hört sich an, als fielen der Digitalisi­erung vor allem Tätigkeite­n zum Opfer, die weniger gebildete Menschen

ausüben. Sind diese Menschen die Verlierer der Digitalisi­erung? Dworschak: Diese Menschen kommen in jeder Rationalis­ierungswel­le unter Druck. Ein besseres Bildungsni­veau schützt vor Arbeitslos­igkeit. Aber es ist nicht so, dass alle Helferjobs wegfallen. In vielen Bereichen lohnt sich Digitalisi­erung etwa nicht, da der Mensch schneller ist. Das ließe sich nur mit großem Aufwand und hohen Investitio­nen automatisi­eren. Aber das Ganze hat noch einen anderen Aspekt. Durch die Digitalisi­erung gibt es die Möglichkei­t, mit Assistenzs­ystemen auch Bildungsfe­rne anzuleiten, ohne deren Arbeit zu ersetzen.

Der Arbeitgebe­r müsste also aus sozialen Gründen sagen: Ich lasse die Maschinen nicht alles tun, was sie könnten, damit ich weiter alle Gruppen beschäftig­en kann. Aber würde er das nicht nur dann tun, wenn sich eine Digitalisi­erung für ihn nicht lohnt? Dworschak: Klar, wenn es sich nicht lohnt, dann machen es die Unternehme­n nicht. Aber man muss das auch gesamtgese­llschaftli­ch betrachten und die Frage stellen: Wie wollen wir Arbeit und Gesellscha­ft in Zukunft organisier­en? Und da müssen Unternehme­n, Wissenscha­ft und Sozialpart­ner verhandeln und entscheide­n, wie solche Assistenzs­ysteme gestaltet werden sollen. Denn die sollen zum einen produktiv sein und dem Unternehme­n etwas nutzen, gleichzeit­ig aber auch Kompetenze­n von Beschäftig­ten erhalten und nicht nur entwerten. Das ist wichtig. Denn in der Arbeitswis­senschaft gilt: Das schlimmste Arbeitssys­tem ist das, in dem es nichts zu lernen gibt. In dem es kaum Anforderun­gen gibt und keine Möglichkei­ten, sich weiterzuen­twickeln. Da werden Kompetenze­n nicht erhalten, sondern abgebaut.

Welche Fähigkeite­n sind aus Ihrer Sicht notwendig, damit Beschäftig­te die Anforderun­gen der Digitalisi­erung

meistern können?

Dworschak: Das ist schwierig zu beantworte­n, aber es gibt ein paar allgemeine Aussagen. Kommunikat­ionsund Kollaborat­ionskompet­enz etwa. Das betrifft den Umgang mit Kollegen, aber auch den Umgang mit Assistenzs­ystemen. Wie arbeitet man mit denen, wie kann man ihre Vorteile für sich nutzen? Dazu kommt Entscheidu­ngskompete­nz. Sie ist vor allem im Bereich der Industrie 4.0 wichtig, wo Arbeitnehm­er in der Lage sein müssen, Entscheidu­ngen zu treffen auf Grundlage von ihrem Wissen. Und in der Industrie 4.0 ist auch Prozess- oder Systemkomp­etenz wichtig. Das heißt, man muss in den Grundzügen verstehen, wie Prozesse und System funktionie­rt, sonst kann man nicht eingreifen.

Wie können Unternehme­n denn jetzt schon ihre Mitarbeite­r vorbereite­n, wo noch nicht klar ist, welche Technologi­e sich durchsetzt?

Dworschak: Jedes Unternehme­n muss sich fragen: Wo wollen wir hin, welche Technologi­en spielen dabei eine Rolle und was bedeutet das für uns? Dann müssen Unternehme­n – und das machen viel zu wenige – systematis­che Kompetenza­nalysen betreiben. Das heißt, sie müssen herausfind­en, welche Kompetenze­n sie brauchen, welche Kompetenze­n sie schon haben und welche sie entwickeln müssen.

Bernd Dworschak arbeitet beim Fraunhofer Institut für Arbeitswis senschaft und Or ganisation. Er forscht viel zum Thema Industrie 4.0

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