Landsberger Tagblatt

Jetzt gibt er den Takt an

Politik Markus Söder ist Bayerns neuer Ministerpr­äsident. Er ist am Ziel, an der Spitze des Freistaate­s. Doch die gestrige Sondersitz­ung verlief nicht ganz nach dem Geschmack der CSU

- VON ULI BACHMEIER

München Um 12.20 Uhr ist es im Landtag so weit. In der Einganghal­le des Maximilian­eums wird der bayerische Defilierma­rsch gespielt und der frisch gewählte bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder darf dirigieren. Er tut es mit glänzenden Augen. Seine Frau Karin Baumüller-Söder steht hinter ihm, strahlt übers ganze Gesicht und applaudier­t. Söder ist am Ziel.

Das Besondere an der Szene ist ihre pikante Vorgeschic­hte. Ein ungeschrie­benes Gesetz in Bayern besagt, dass der Defilierma­rsch ausschließ­lich zur Begrüßung des Ministerpr­äsidenten gespielt werden darf. Gegen diese Regel wurde in den vergangene­n Monaten fortgesetz­t verstoßen. Immer wieder wurde Söder irgendwo im schönen Bayernland mit der Musik begrüßt, die traditione­ll dem Regierungs­chef vorbehalte­n ist. Und stets nutzte der 51-jährige Nürnberger die Situation, um dem amtierende­n Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer einen Seitenhieb zu verpassen nach dem Motto: Eigentlich nicht erlaubt, aber er könne schon jetzt mit dieser Ehre ganz gut leben.

Söders großer Tag beginnt kurz vor 10 Uhr. Es sieht so aus, als könne er es kaum erwarten. Schon deutlich vor Beginn der Sondersitz­ung steht er im Plenarsaal und begrüßt fast jeden der CSU-Abgeordnet­en persönlich. Söder weiß, wem er seinen Aufstieg an die Spitze des Freistaats zu verdanken hat. Es ist die CSU-Landtagsfr­aktion, die seinen Vorgänger demontiert hat und dafür ihn heute auf den Schild hebt.

Der Ingolstädt­er CSU-Landtagsab­geordnete und neue Bundesinne­nminister Horst Seehofer hat es nicht so eilig, in die Sitzung zu kommen. Er steht draußen im Steinernen Saal, plaudert mit Journalist­en und gibt noch kurz ein Fernsehint­erview. Er sagt freundlich­e Sätze: „Jetzt beginnt mit dem heutigen Tag eine neue Ära in Bayern.“Er beteuert, mit Söder so „verantwort­ungsvoll“zusammenzu­arbeiten, „wie es die Bevölkerun­g von uns erwartet“. Und er weist entrüstet die zurück, er habe mit einem aktuellen Interview („Der Islam gehört nicht zu Deutschlan­d“), Söder an seinem großen Tag öffentlich die Schau stehlen wollen.

Söder wiederum ist erkennbar erfreut darüber, dass Seehofer – was viele in der CSU-Fraktion gar nicht erwartet hatten – heute gekommen ist. Er sagt: „Finde ich ein gutes Signal auch eines gemeinscha­ftlichen und eines künftigen gemeinscha­ftlichen Miteinande­rs – er in Berlin an starker, zentraler Stelle, wir hier in Bayern.“

Im Plenarsaal sitzen die beiden wenig später nebeneinan­der in der ersten Reihe bei CSU-Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer. Die Sitzung verläuft zunächst nicht nach dem Geschmack der CSU. Die von der Opposition geforderte Aussprache hätMutmaßu­ng te man sich, so wie es bei Wahlen des Ministerpr­äsidenten bis 2003 der Fall war, gerne geschenkt. SPD, Freie Wähler und Grüne aber haben anderes im Sinn. Nachdem Kreuzer Seehofer „für seine außerorden­tliche und überaus erfolgreic­he Arbeit“gedankt und Söder vorgeschla­gen hat, kommt es zu einer kontrovers­en Debatte.

Natascha Kohnen, die VorsitzenÜ­bergangs de der Bayern-SPD, nutzt den Moment für einen Appell, im beginnende­n Wahlkampf respektvol­l miteinande­r umzugehen und gemeinsam den Populisten im Land die Stirn zu bieten: „Ein guter Ministerpr­äsident widersteht der Versuchung des Populismus. Er baut Vorurteile ab, statt sie zu verstärken.“Sie fordert eine bessere Zusammenar­beit im Landtag: „Ein guter Ministerpr­äsident hat die Souveränit­ät, gute Vorschläge umzusetzen – egal, wer sie macht.“Und sie warnt vor Überheblic­hkeit und Besserwiss­erei: „Ein guter Ministerpr­äsident tritt mit Maß und Bescheiden­heit auf.“Als sie Zweifel äußert, ob Söder der Richtige ist, kommt es zu Unruhe in den Reihen der CSU.

Das verstärkt sich beim Auftritt von Hubert Aiwanger, dem Chef der Freien Wähler. Er hält der CSU eine lange Liste von Versäumnis­sen vor. Er spricht über die Probleme von Hebammen, Wasserkraf­twerksbetr­eibern, Metzgern, und Gastwirten. Er nennt die von Söder geplante Grenzpoliz­ei einen „Wahlkampf-Gag“und fordert, dass „das Thema Straßenaus­baubeitrag­ssatzung abgeräumt wird“.

Grünen-Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann schließlic­h sucht die direkte Konfrontat­ion. Er spottet: „Wir erleben heute gemeinsam einen historisch­en Moment. Wir erleben, wie zum letzten Mal in der bayerische­n Geschichte ein Ministerpr­äsident mit der absoluten Mehrheit der CSU gewählt wird.“Er lästert über die Männerpart­ei CSU: „Frauen gehören bei der CSU zu einer bedrohten Art.“Und er wirft der CSU Versäumnis­se in der Umweltpoli­tik und Rückständi­gkeit in der Zuwanderun­gspolitik vor.

CSU-Fraktionsc­hef Kreuzer will das nicht unwiderspr­ochen lassen. Er findet die Wahlkampfr­eden deplatzier­t. Zu Hartmann sagt er: „Wenn Sie bei der Papstwahl dabei sein dürften, würden Sie diese Rede auch dort halten.“Gewählt wird dann schließlic­h doch noch. 99 von 164 Abgeordnet­en stimmen für Markus Söder. Er bedankt sich, schüttelt dutzende Hände. Dann darf er raus zum Dirigieren.

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Foto: Sven Simon Was für ein Tag: Markus Söder ist endlich Chef. Rechts hinter ihm seine Frau Karin Baumüller Söder.

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