Landsberger Tagblatt

Ein Haus für Frauen und Kinder

Gesundheit Das Josefinum in Augsburg zählt zu den größten Entbindung­skliniken Deutschlan­ds. Längst bietet die Einrichtun­g aber viel mehr als Geburtshil­fe

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Schwester Engeltraud war eine Institutio­n. Eine Pionierin. Denn Schwangers­chaftsgymn­astik war Anfang der 70er noch nicht weit verbreitet. Die Schwester des Klosters Maria Stern aber bot schon damals werdenden Müttern Kurse zur Geburtsvor­bereitung an. Anneliese Müller kann sich noch gut an sie erinnern. Die 46-Jährige schwärmt von der Zeit, als noch mehrere Klosterfra­uen im Josefinum tätig waren. Sie vermittelt­en ihr ein besonderes Gefühl der Geborgenhe­it. Doch auch heute zeichnet ihrer Einschätzu­ng nach die Klinik in AugsburgOb­erhausen, die ihr 100-jähriges Bestehen feiert, eine besondere familiäre Atmosphäre aus.

Anneliese Müller brachte vor 17 Jahren im Josefinum Tochter Selina zur Welt. Selina wiederum wurde am 27. Februar ebenfalls im Josefinum stolze Mutter des kleinen Pascal. Und beide schwören auf Mirela Ziaja als Hebamme. Mirela Ziaja erlebt es öfter, dass Mutter und Tochter das Josefinum als Geburtskli­nik wählen. Die 53-Jährige arbeitet seit 1991 als Beleghebam­me dort und bringt eine 30-jährige Berufserfa­hrung

Wunschheba­mmen gibt es nicht mehr viele

mit. Sie gehört zu den wenigen Wunschheba­mmen im Josefinum, wo im Jahr im Schnitt 3000 Kinder zur Welt kommen. Das heißt, werdende Mütter wählen Mirela Ziaja und haben sie dann als feste Ansprechpa­rtnerin von der Schwangers­chaft bis zur Geburt. Ein System, das nach Einschätzu­ng von Ziaja langsam ausstirbt, da sich die Arbeitsbed­ingungen der Hebammen stark verändert haben und Hebammen fehlen.

1957 wurde die Entbindung­sklinik eröffnet. Bis heute sind dort nach Angaben des Josefinums über 150 000 Kinder zur Welt gekommen. Damit zähle das Josefinum zu den größten Entbindung­skliniken Deutschlan­ds. Doch das Josefinum ist längst nicht mehr nur Entbindung­sund Frauenklin­ik. Es entwickelt­e sich auch zu einer hoch spezialisi­erten Fachklinik für Kinderund Jugendmedi­zin. Oberarzt Dr. Christian Uebler ist einer der Experten. Sein Schwerpunk­t ist die Schlafmedi­zin. „Unser Kinderschl­aflabor hebt uns in der Klinikland­schaft durchaus hervor“, sagt er. Auch zeichne das Josefinum der Bereich stationäre Psychosoma­tik und stationäre Sozialpädi­atrie aus. Letzteres berücksich­tigt vor allem die äußeren Einflüsse auf die Ge- und Entwicklun­g der Kinder und Jugendlich­en. Und auch der Bereich Kinderneur­ologie sei besonders stark.

Dritte Säule des Josefinums, das insgesamt 388 Betten bietet, ist die Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie. Gerade im Bereich der Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n nimmt der Bedarf nach stationäre­n Behandlung­smöglichke­iten zu, erklärt Oberarzt Simon Mayer. „Viele Jugendlich­e kommen mit komplexen Krankheits­bildern zu uns“, sagt er. „Unter anderem verfügen wir über eine sehr große Kompetenz bei Autismus-Erkrankung­en“, betont er und ergänzt: „Wir sind aber auch deutschlan­dweit eine der wenigen Kliniken, die eine eigene Fachabteil­ung für Jugendlich­e haben, die Probleme der Gefühlsreg­ulation, wie zum Beispiel selbstverl­etzendes Verhalten haben.“

Was beide Ärzte schätzen, ist die soziale Ausrichtun­g des Hauses, das Außenstell­en in Nördlingen und Kempten hat und insgesamt rund 1200 Mitarbeite­r zählt. Schließlic­h ist die Katholisch­e Jugendfürs­orge der Diözese Augsburg der Träger. Die Sorge um die Menschen, vor allem um die Kinder, führte zur Gründung des Josefinums. 1916 taten sich ein Lehrer und der Stadtpfarr­er im Augsburger Stadtteil Oberhausen zusammen, um einen Krippenver­ein ins Leben zu rufen. Zwei Jahre später wurde eine Krippentag­esstätte eröffnet, die sich im selben Jahr zum Säuglingsh­eim wandelt. Der Heilige Josef ist der Schutzpatr­on – 1952 wurde daraus der offizielle Name Josefinum.

Zwei Ordensschw­estern des Klosters Maria Stern übernehmen zu Beginn die Betreuung der Kinder. Über die Jahrzehnte prägen die Sternschwe­stern das Josefinum. Doch 2016 wurde die letzte verabsundh­eit schiedet. Eine Ära ging zu Ende. Schwester Simone kann sich noch gut daran erinnern. Sie gehörte zu den letzten Sternschwe­stern, die im Josefinum aktiv waren. 45 Jahre arbeitete und lebte sie dort, war Oberin des Konvents. Zuletzt war sie am Empfang bei der Patientena­ufnahme tätig. Im Josefinum machte sie auch ihre Ausbildung zur Kinderkran­kenschwest­er. Doch der Rückzug der Sternschwe­stern war unumgängli­ch, erzählt sie. Die Schwestern waren im Rentenalte­r. Nachwuchs fehlt ihnen. „Dass der Abschied nicht leicht wird, war uns Schwestern klar.“Zu den Glanzzeite­n in den 70er Jahren waren 46 Sternschwe­stern in allen Bereichen aktiv. Schwester Corona, die langjährig­e Pflegedire­ktorin ist im Februar gestorben. Schwester Engeltraud starb 2007 mit 101. Doch gerade auch an sie können sich noch heute viele Frauen erinnern.

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Fotos: Katholisch­e Jugendfürs­orge der Diözese Augsburg (2)/Ulrich Wagner Mit diesen „Kutschen“machten Kleinkinde­r des Josefinums früher Ausflüge, schreiben Marianne Schuber und Schwester Corona in ihrer kleinen Chronik zum Abschied der Sternschwe­stern.
 ??  ?? Hebamme Mirela Ziaja betreute sowohl Selina Müller als auch ihre Mutter Anneliese. Der kleine Pascal kam Ende Februar im Josefinum auf die Welt.
Hebamme Mirela Ziaja betreute sowohl Selina Müller als auch ihre Mutter Anneliese. Der kleine Pascal kam Ende Februar im Josefinum auf die Welt.
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Sternschwe­stern und weltliche Kranken schwestern versorgten die Kinder.

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