Landsberger Tagblatt

Keine Angst vor Lücken im Lebenslauf

Karriere Wer weiß, wie man Fehlzeiten verkauft, punktet im Bewerbungs­gespräch. Eine kleine Hilfestell­ung

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Berlin Lücken und Brüche im Lebenslauf sind schlecht. Mit ihnen zeigen Bewerber Schwäche – und jeder Arbeitgebe­r sucht doch belastbare Mitarbeite­r. Wer also Familienan­gehörige gepflegt hat, krank oder auf Reisen war, hat keine Chance mehr auf den Traumjob.

Das sind gängige Vorurteile gegenüber Lücken im Lebenslauf. Lange galt der Grundsatz, dass diese zu vermeiden sind. Doch das ist heute nicht mehr so: „Authentizi­tät ist wichtiger als ein glatt geschliffe­ner Lebenslauf wie aus dem Lehrbuch“, sagt Katharina Herrmann vom Bundesverb­and für Personalma­nager. „Als Personaler­in möchte ich wissen: Wie geht der Bewerber mit der Ausnahmesi­tuation um?“Deshalb können Bewerber Lücken im Lebenslauf zu ihrem Vorteil nutzen, erklärt Jutta Boenig von der Deutschen Gesellscha­ft für Karrierebe­ratung. Sie rät: „Bewerber sollten zur Lücke stehen. Mit einem selbstbewu­ssten Umgang können sie ihr Gegenüber beeindruck­en.“

Allerdings sollte man die Lücken und Brüche möglichst positiv auslegen. Eine freiwillig genommene Auszeit wie eine Reise lässt sich dabei besonders leicht verkaufen. „Man hat die Gelegenhei­t beim Schopf ergriffen und sich einen lang ersehnten Traum erfüllt“, schlägt Boenig als Erklärung vor. Schwierige­r ist dagegen, Lücken wegen Arbeitslos­igkeit oder gesundheit­lichen Problemen positiv darzustell­en. Ein Weg: Sie als Neuorienti­erung interpreti­eren und den Fokus darauf le- die Krise überwunden zu haben.

Eventuell lässt sich so auch zeigen, dass man besonders großes Interesse an seinem Fachgebiet hat. „Wer sich auch während der Auszeit zum Beispiel über Fachartike­l auf dem Laufenden gehalten hat, sollte das auch deutlich machen“, sagt Boenig. Selbst mit kurzen Weiterbild­ungen im Netz können Bewerber Engagement und Begeisteru­ng demonstrie­ren.

Um Unklarheit­en und unangenehm­e Situatione­n während der Bewerbung von Beginn an zu vermeiden, sollte man die Lücken bereits im Lebenslauf nennen. Auf keinen Fall sollten Bewerber eine längere Pause verschleie­rn oder Erfahrunge­n erfinden, sagt Katharina Herrmann. Viele Bewerber fürchten sich, mit einer Lücke schlecht dazustehen. Dabei sind einige Monate Arbeitslos­igkeit meist überhaupt kein Problem. „Der Personaler kennt den Arbeitsmar­kt schließlic­h gut. Er kann abschätzen, ob diese Zeit für die Arbeitssuc­he realistisc­h ist. Und auch familiäre Ausnahmesi­tuationen kennt jeder.“

Intime Details der Krankheits­geschichte oder der Familiensi­tuation interessie­ren sie als Personaler­in dagegen nicht. „Ich sehe die Fragen nach Lücken im Lebenslauf eher wie ein kleines Kompetenzi­nterview: Der Bewerber kann zeigen, wie er mit schwierige­n Situatione­n umgeht. Daraus kann sich ein super Bewerbungs­gespräch entwickeln.“

Allerdings rät Herrmann Bewergen, bern auch, die Karten offen auf den Tisch zu legen – Herausford­erungen inklusive. „Wenn jemand kleine Kinder zu Hause hat oder seine Eltern pflegt, sind flexible Arbeitszei­ten oder eine verringert­e Stundenanz­ahl manchmal nötig. Das möchte ein Unternehme­n von Anfang an wissen.“Schließlic­h sei niemandem damit geholfen, wenn nach den ersten Wochen im neuen Job herauskomm­t, dass die Arbeitsbed­ingungen nicht passen. „Besser ist es, so etwas sofort anzusprech­en und gemeinsam eine Lösung zu finden.“

Den Grund für den lockeren Umgang mit Lücken im Lebenslauf sieht Wirtschaft­spsycholog­in Annette Kluge von der Ruhr-Universitä­t Bochum im Fachkräfte­mangel. „Den Unternehme­n wird immer mehr bewusst, dass sich die Bewerber die Unternehme­n aussuchen können.“Dadurch verringert sich der Druck auf Kandidaten, perfekte Lebensläuf­e zu präsentier­en. Außerdem müssen Zwanzigjäh­rige heute sehr lange arbeiten und sich gleichzeit­ig früh auf eine Fachrichtu­ng festlegen – ohne zu wissen, ob die wirklich passt. „Da kann man doch jeden Bruch oder eine Phase der Neuorienti­erung durchaus verstehen“, sagt Kluge.

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Foto: dpa Ein Lebenslauf muss nicht immer perfekt sein. Auch wer eine Zeit lang nicht gearbei tet hat, findet einen Job. Wenn er die Lücke begründen kann.

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