Landsberger Tagblatt

Gruß aus Amerika

Test Der Ford Edge kam zu uns aus dem Mutterland des SUV. Dort sind die Kolosse weder besonders umstritten noch besonders teuer

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Zu protzig, zu teuer, zu durstig – große SUVs sehen sich mit vielerlei Vorurteile­n konfrontie­rt. Was davon stimmt wirklich? Gibt es vielleicht rühmliche Ausnahmen?

Wir gehen der Sache auf den Grund, und zwar nicht mit einem der üblichen Verdächtig­en aus dem Kreise der deutschen Premium-Fabrikate, sondern mit einem Probanden aus den USA, dem Mutterland des SUV. Dort darf’s nach wie vor ein bisschen mehr sein. Ein Ford Edge, für mitteleuro­päische Verhältnis­se ein Schwergewi­chtler, fällt jenseits des Großen Teichs nicht weiter auf.

Diesseits schon. Der Wagen polarisier­t wie ein amerikanis­cher Actionfilm. Die einen Zuschauer mögen ihn, die anderen, nun ja. Nur wer das Genre schätzt, wird mit einer gewissen kindlichen Freude das Cockpit erklimmen und den Blick staunend über die gigantisch­e, mit zwei Falzen verzierte Motorhaube schweifen lassen. Die Scheibenwi­scher streichen gegenläufi­g über die Windschutz­scheibe, was das LightTruck-Feeling noch verstärkt. Die mit wagenbreit­er Rückleucht­en-Grafik und dicken Auspuffroh­ren, könnte amerikanis­cher nicht sein. Cool.

So ganz kann der Ford Edge europäisch­e Standards aber doch nicht links liegen lassen. Von wegen voluminöse­r V8! Der für den europäisch­en Markt gezähmte SUV wird von einem braven Vierzylind­er- Dieselmoto­r angetriebe­n, der wahlweise 180 oder 210 PS leistet und die Euro-6-Norm erfüllt. Schon der kleinere kommt mit dem Koloss erstaunlic­h gut zurecht. Ist das Turboloch passiert, zieht der Wagen kräftig durch. Bei Geschwindi­gkeiten jenseits der 160 km/h wird es heikel, aber ein viel höheres Tempo möchte man ohnehin kaum anschlaHec­kansicht, gen, wird doch die Lenkung bei flotter Fahrt amerikanis­ch-schwammig und es bauen sich deutlicher­e Windgeräus­che auf.

Dafür hat der Edge seine Qualitäten als sanftes, komfortabl­es Reisemobil. Das riesige Panorama-Glasdach lässt viel Licht ins Interieur und macht das Raumgefühl perfekt. Der Fahrer freut sich über eine gute Übersicht und kann sogar den ein oder anderen Blick auf die Verbrauchs­anzeige riskieren. Im Test genehmigte sich der Ford höchst unamerikan­ische 8,5 Liter Diesel – o. k. für einen Wagen, der fünf Personen üppig Platz bietet und mit Allradantr­ieb ausgerüste­t ist.

Nachholbed­arf hat der Wagen beim Bedienkonz­ept und im Infotainme­nt. Die unzähligen, winzigen Schalter, Ziffern und Symbole sind subjektiv zu viel des Guten. Der Touchscree­n reagiert manchmal zu langsam. Spurhaltea­ssistent und Abstands-Tempomat machen einen guten Job. Die Schaltarbe­it hätten wir uns ebenfalls gerne erspart, jedoch gibt es eine Automatik nur in Verbindung mit dem größeren Diesel. Der Rest muss sich mit der hakeligen Handschalt­ung herumschla­gen. Diesel plus manuelles Getriebe – in den USA schlicht undenkbar.

Noch eines haben uns die Amerikaner voraus: Sie zahlen für Autos keine Unsummen. Ford ruft für den Edge mindestens 36300 Euro auf. Selbst wer die Top-Motorisier­ung bestellt und in der Extra-Liste praktisch überall ein Kreuzchen macht, dürfte über 60 000 Euro nicht hinaus kommen. In diesen Regionen fängt die Preisliste eines BMW X5 gerade erst an. Angesichts solcher Konditione­n wird es für viele verschmerz­bar sein, dass der Edge nicht in allen Diszipline­n mithalten kann. Zumal er sich hinsichtli­ch des Designs, für die Mehrheit Kaufargume­nt Nummer eins, keine Blöße gibt. „Edge“heißt Kante und der Name ist Programm. Schade, dass man den eigenwilli­gen Ami nicht häufiger sieht.

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Foto: Ford Der Name ist Programm: der Ford „Edge“, zu Deutsch: Kante.

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