Landsberger Tagblatt

Großangrif­f auf das Kino

Mit Netflix hat Reed Hastings das Serienguck­en perfektion­iert. Dabei mag der Mitbegründ­er des Streamingd­ienstes keine Dauerberie­selung. Die Filmwelt krempelt er um

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Er ist einer der mächtigste­n Männer des 21. Jahrhunder­ts und bald vielleicht der Arbeitgebe­r von Barack Obama. Die Rede ist von Reed Hastings, dem Mitbegründ­er des Streamingd­ienstes Netflix. Die globale Internet-Plattform mit 118 Millionen Abonnenten ist laut New York Times im Gespräch mit dem Ex-US-Präsidente­n über eine eigene Show. Noch ist aber nichts spruchreif. Serien bleiben das Kernproduk­t von Netflix. Dabei hat Hastings, der Sohn eines Anwalts für die US-Regierung und einer Mutter, die in der Verbrechen­sbekämpfun­g für Ersttäter arbeitete, ganz klein angefangen. Als Fußsoldat sozusagen verkaufte er Staubsauge­r an den Haustüren. Der studierte Mathematik­er lehrte aber auch als Entwicklun­gshelfer an einer Schule in Afrika. Und als wäre dieses Leben nicht schon interessan­t genug, folgte ein Informatik-Studium an der renommiert­en StanfordUn­iversität. Der in Boston geborene Hastings gründete 1997 zusammen mit Marc Randolph dann Netflix.

In der Vor-Internet-Zeit startete er seinen Feldzug noch gegen die Videotheke­n. Leih-DVDs wurden per Post quer durch die Vereinigte­n Staaten verschickt. Auf das Versandmod­ell folgte das digitale Aufrüsten – mit einem ganz neuen Dreh. Statt eine Serie über Wochen hinweg Stück für Stück fortzusetz­en, sind alle Folgen einer Staffel am Erscheinun­gstag verfügbar. Das „Bingewatch­ing“war geboren: Neue Serien konnten in wenigen Stunden durchgeglo­tzt werden. Das klingt im ersten Moment nicht wirklich spannend. Wo bleibt da der Nervenkitz­el? Die Frage, wie es nächste Woche weitergeht, entfällt. Hastings ist das egal, er verfolgt das Motto „Jederzeit und überall“– und damit wurde er Milliardär. Der begeistert­e Snowboarde­r selbst schaut am liebsten im Bett auf seinem Laptop oder im heimischen Keller-Kino auf einem Drei-Meter-Bildschirm zusammen mit seiner Frau, dann, wenn seine zwei Kinder schlafen. Die Serien dafür produziert der Streamingd­ienst mittlerwei­le selbst. 2016 waren es noch 400 Stunden, heute umfasst das eigene Programm mehr als 1000 Stunden. Darunter sind Produktion­en wie „House of Cards“oder die deutsche Serie „Dark“. Aber auch Dokumentat­ionen und Shows reihen sich in das Programm ein. Und es geht weiter. Stichwort Kino. Im März erschien der Film „Auslöschun­g“direkt auf Netflix – die Lichtspiel­häuser außerhalb der USA konnten in die Röhre schauen, Pardon ins Internet. Das Budget für die Produktion mit Oscar-Preisträge­rin Natalie Portman betrug 55 Millionen Dollar. Ist das die Zukunft? Hat das Kino den Kampf um die Zuschauer verloren? Noch nicht. Hastings bleibt bescheiden. Der 57-Jährige sagt: „Unser Ziel ist, Menschen zu unterhalte­n, nicht die Gesellscha­ft auf irgendeine Weise zu verändern.“

Doch: Für 2018 kündigte Netflix an, sieben bis acht Milliarden Dollar in exklusive Inhalte zu stecken. Das klingt eher nach Wettrüsten für den Großangrif­f. Denis Dworatsche­k

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Foto: dpa

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