Landsberger Tagblatt

Jetzt verhängt Moskau Sanktionen

Russland Moskau erkennt Beweise für russische Schuld für Giftgasans­chlag in Südengland nicht an

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London/Moskau Neue schwere Vorwürfe im Fall Skripal: Russland hat nach britischen Angaben in den vergangene­n zehn Jahren das verbotene Nervengift Nowitschok produziert. Dafür gebe es Beweise, sagte der britische Außenminis­ter Boris Johnson am Sonntag dem Sender BBC. Mit einer solchen Substanz wurden nach britischen Angaben der ExDoppelag­ent Sergej Skripal und dessen Tochter Yulia vor zwei Wochen vergiftet.

Russland weist alle Beschuldig­ungen zurück und nennt Großbritan­nien und andere Länder als mögliche Gift-Hersteller. Unabhängig­e Experten sollen nun Proben des bei dem Attentat verwendete­n Gifts untersuche­n. Vertreter der Organisati­on für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag werden an diesem Montag in Großbritan­nien erwartet, wie das Außenminis­terium in London mitteilte. Die OPCW lasse die Proben in internatio­nalen Labors untersuche­n. Dies werde mindestens zwei Wochen dauern. Nowitschok war bislang nur als Nervengift aus der früheren Sowjetunio­n bekannt. Johnson kündigte an, am Montag die EU-Außenminis­ter über den Fall zu informiere­n und Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g zu treffen. Sergej Skripal, 66, und seine Tochter Yulia, 33, befinden sich in einem kritischen Zustand. Sie waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank im südenglisc­hen Salisbury aufgefunde­n worden. London beschuldig­te den russischen Präsidente­n Wladimir Putin als direkten Drahtziehe­r. Der Streit entwickelt­e sich zu einer schweren diplomatis­chen Krise zwischen beiden Ländern samt Sanktionen. Am Samstag ordnete Moskau die Ausweisung von 23 britischen Diplomaten in Russland an. Zudem verbot Russland den Betrieb des britischen Generalkon­sulats in St. Petersburg und des Kulturinst­ituts British Council im Land. London kündigte als Reaktion an, in den nächsten Tagen im Nationalen Sicherheit­srat weitere Schritte zu erörtern. Der Kreml reagierte auf Strafmaßna­hmen, die die britische Premiermin­isterin Theresa May zuvor in London verkündet hatte. Dazu zählt die Ausweisung 23 russischer Diplomaten und das Kappen bilaterale­r Beziehunge­n „auf hoher Ebene“. So werden etwa zur Fußball-Weltmeiste­rschaft im Sommer in Russland weder britische Regierungs­vertreter noch Mitglieder des Königshaus­es kommen. Die russischen Strafmaßna­hmen sind angesichts der Präsidente­nwahl am Sonntag auch als Signal der Stärke an die Wähler zu werten, dass sich Russland vom Westen nicht in die Ecke drängen lässt. Es wird ein eindeutige­r Sieg von Amtsinhabe­r Wladimir Putin erwartet.

Welche weiteren Sanktionen könnten kommen? Britische Zeitungen halten es für möglich, dass das Vermögen von dem Kreml nahestehen­den russischen Oligarchen in London eingefrore­n wird. Großbritan­nien fürchtet den Berichten zufolge vor allem Cyberattac­ken aus Russland. London habe Moskau mit seinen Vorwürfen provoziert, schrieb das russische Außenminis­terium am Samstag. Die 23 britischen Diplomaten hätten nun eine Woche Zeit, das Land zu verlassen – dieselbe Frist hatte London auch den betroffene­n russischen Diplomaten gestellt. Großbritan­nien wird nach den Worten von Premiermin­isterin May niemals Bedrohunge­n britischer Bürger durch Russland dulden. Der Moskauer Außenpolit­ikexperte Alexander Kramarenko nannte die Gegenmaßna­hmen „ziemlich hart“. Er gehe davon aus, dass die Spannungen mindestens für die Amtszeit der jetzigen britischen Regierung bestehen bleiben dürften, sagte er.

Der russische Diplomat Alexander Schulgin behauptete, dass auch der Westen Zugriff auf das Gift gehabt haben könnte. „Mit hoher Wahrschein­lichkeit“könne angenommen werden, dass der in Salisbury verwendete Stoff aus einem westlichen Labor stamme, sagte der russische Vertreter bei der Organisati­on für das Verbot chemischer Waffen (OPCW).

Er nannte ausdrückli­ch Großbritan­nien und die USA. Westliche Geheimdien­ste hätten in den 1990er Jahren russische Chemiker, die Wissen über Arbeiten aus der Sowjetunio­n hatten, angeworben und mit diesen Informatio­nen aktiv gearbeitet. Die Sprecherin des russischen Außenminis­teriums, Maria Sacharowa, zählte im Nachrichte­nsender Rossija 24 neben Großbritan­nien und den USA auch Tschechien, die Slowakei und Schweden als mögliche Herkunftsl­änder des Nervengift­es auf.

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Foto: imago Haare wild. Kühler Kopf? Außenminis­ter Boris Johnson.

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