Landsberger Tagblatt

Ein Wunder! Ein Wunder?

Kirche In Unterfloss­ing zeigt sich am Samstag Maria. Oder eben nicht, das ist Glaubenssa­che. Rund 300 Menschen sind dabei, als Salvatore Caputa Botschafte­n aus dem Himmel empfängt

- VON VERONIKA RENKENBERG­ER

Unterfloss­ing Samstagmit­tag, 13.30 Uhr in Unterfloss­ing im oberbayeri­schen Landkreis Mühldorf am Inn. Die Ersten sind schon da, haben es auf die Parkplätze mit dem kürzesten Fußweg abgesehen. „Es kommen halt viele alte Leute, die nicht weit laufen können“, erklärt eine rotbackige Frau und berührt den Arm der Reporterin. „Kommen Sie auch? Ja? Das ist schön.“

Sie haben Klappstühl­e dabei, zwängen sich in Skihosen. Der Wind pfeift eisig an diesem Nachmittag in Unterfloss­ing, jenem Örtchen mit etwa hundert Einwohnern und einer privaten Kapelle, die sich neuerdings als überregion­aler Treffpunkt für Marien-Gläubige etabliert. Es ist nun schon das dritte Mal, dass Maria hier mithilfe einer Kontaktper­son sprechen soll – dass sie es tun wird, um Punkt 16.30 Uhr, davon sind die Menschen, die aus Bayern, Baden-Württember­g und Österreich angereist sind, überzeugt. Ein gutes Dutzend Journalist­en ist auch da, darunter ein russisches Fernseh-Team. Ein Reporter der Bild sendet live per Smartphone.

Schon von weitem hört man Gesänge, ein erster Reisebus stoppt vor der Kapelle. Das Areal füllt sich. Menschen versammeln sich um eine nagelneue weiße Marienstat­ue. Ein Rosenkranz kostet sechs Euro, gratis werden Infoschrif­ten und Flugblätte­r verteilt, auf denen es beispielsw­eise um das Thema „Handkommun­ion versus Mundkommun­ion“geht – geschriebe­n aus katho- lisch-konservati­ver Sicht. Neben der Kapelle ein ältlicher Wohnwagen. Darin wartet der Italiener Salvatore Caputa, der selbst ernannte Seher, und empfängt Journalist­en.

Caputa behauptet, er habe Kontakt zu Maria. Aus seinen angebliche­n Visionen macht er öffentlich­e Ereignisse. Der pensionier­te Polizist zelebriert seit Mitte der 80er Marien-Erscheinun­gen. Die katholisch­e Kirche distanzier­te sich mehrfach von ihm, etwa die Diözesen Mantua und Bozen-Brixen in Italien sowie Gurk in Österreich. Ein Bischof rief Gläubige auf, Caputas Tun nicht durch Anwesenhei­t aufzuwerte­n.

Die Erzdiözese München und Freising legte nach: Ein eigens angefertig­tes Gutachten beurteilte die Erscheinun­gen als „äußerst fragwürdig“. Caputa dürften keine kirchliche­n Räume, Liegenscha­ften oder Infrastruk­tur zur Verfügung gestellt oder sonstige Arten der Unterstütz­ung gewährt werden.

Es ist kurz nach 16 Uhr, als rund 300 Gläubige das Vaterunser singen. Dann ist Rosenduft zu bemerken. Rosenduft signalisie­rt Marias Präsenz, heißt es. Der Rosenduft ist just zu dem Zeitpunkt wahrzunehm­en, an dem Salvatore Caputa seinen Wohnwagen verlässt. Es wird sehr still, als er sich vor die Marienstat­ue stellt. Nur Fotoappara­te klicken.

Es ist gegen 16.30 Uhr. Caputa – Kreuz um den Hals, Rosenkranz in der Hand – wendet seinen Blick gen Himmel, konzentrie­rt und ernst. Einmal huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Es vergehen sechs, sieben Minuten, in denen er manchmal die Lippen tonlos bewegt, sich hinkniet, bekreuzigt, erhebt, Himmel schaut.

Dann ist es vorbei, Caputa zieht sich zurück, um zu notieren, was Maria ihm aufgetrage­n habe. Kurz nach 17 Uhr wird es verkündet und übersetzt. Habt einander lieb und lebt in Frieden, lässt sie demnach ausrichten, öffnet euch Gott. Und: „Ich wünsche euch in jeder heiligen Messe eine Gotteserfa­hrung.“

Die Gläubigen scharen sich jetzt um einen Brunnen, der kaum Wasser abgibt, aber sie pumpen geduldig, viele haben Kanister dabei. Manche stellen sich vor Kameras. „Ich habe sie gesehen!“, sagt eine Frau voller Begeisteru­ng. Auf mehrfache Nachfrage erklärt sie, was sie sah: „Salvatore schaut ihr immer hinterher, wenn sie wieder geht. Sie macht einen Bogen“, sie beschreibt diesen mit ihrer Hand. „Ich bitte ja auch immer um ein Zeichen – und dann sind zwei Vögel genau in Marias Flugbahn geflogen!“

Christina Agerer-Kirchhoff ist aus München angereist, sie sagt: „Ich finde das anrührend hier, muss aber gestehen, dass ich nichts gespürt habe.“Ihr gefalle jedenfalls, dass hier viel mehr junge Leute mitbeten würden als in den Pfarreien.

Petrus scheint zu all dem eine ganz eigene Meinung zu haben. Zum kalten Wind kommt nun noch Regen hinzu. Busse fahren vor, das Gelände leert sich rasch. Unterfloss­ing hat wieder Ruhe.

Vorerst zumindest. Denn die nächste Marienersc­heinung in Unterfloss­ing steht schon fest: am 8. September, wieder um 16.30 Uhr. wieder gen

 ?? Foto: Matthias Balk, dpa ?? Der Italiener Salvatore Caputa, ein selbst ernannter Seher, ist umstritten. Nicht nur die Erzdiözese München und Freising warnte vor seinem Tun.
Foto: Matthias Balk, dpa Der Italiener Salvatore Caputa, ein selbst ernannter Seher, ist umstritten. Nicht nur die Erzdiözese München und Freising warnte vor seinem Tun.

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