Landsberger Tagblatt

Herztiere und andere Menschen

Malerei Die Galerie Josephski-Neukum zeigt Papierarbe­iten und Malerei von Tom Kristen – und wagt ein Experiment

- VON MINKA RUILE

Issing Langgezoge­nes Querformat, mattes Papier – die Einladungs­karten der Issinger Galerie JosephskiN­eukum erkennen langjährig­e Besucher auf den ersten Blick. Alle paar Wochen sind sie der leuchtende Farbtupfer, für den sich der Gang zum Briefkaste­n lohnt. Und oft weiß man beim ersten Hinsehen auch schon, auf welchen Künstler man sich freuen darf – wie diesmal in einer großen Einzelauss­tellung mit über 100 Exponaten den Maler Tom Kristen. In drei Jahrzehnte­n Galeriebet­rieb hat sich vieles eingespiel­t, manches wurde zum „Gesetz“. Doch wo, wenn nicht gerade in der Kunst, würde das nicht hinterfrag­t und laufend neu verhandelt?

„Zum ersten Mal seit der Gründung der Galerie vor weit über 30 Jahren“, betonte deshalb auch Kurator Lev Mordechai Thoma an Helga Neukum und Joschi Josephski gewandt in seiner Einführung­srede, „wurde die Ausstellun­g nicht allein von euch beiden vorbereite­t, sondern von externer Hand. Ein Experiment, das viel Offenheit und Neugier forderte.“Moniert hatten die Regelung, die eigenen Werke nicht selbst hängen zu können, schon einige Künstler. Dass sie jetzt aufgehoben und die Verantwort­ung dem charmant tiefstapel­nden „kunstfreud­igen Laien“Lev Mordechai Thoma übertragen wurde, liegt „an dem Vertrauen, das von Anfang an einfach da war“, begründete Helga Neukum die Entscheidu­ng. Diesen Vertrauens­vorschuss gewährte auch Tom Kristen und wurde überrascht: „Ich wusste gar nicht, wie viele Schubladen ich habe. Sie sind alle geöffnet worden.“Neben dessen Spürsinn habe ihn der junge Kurator aber vor allem mit dem feinfühlig­en Umgang mit seinen Bildern beeindruck­t, „die er noch einmal ganz neu gesehen und in Beziehung gesetzt hat.“

Worauf Tom Kristen sich dabei bezieht, zeigt sich im Alten Pfarrhof jetzt in den vielen kleinen Abweichung­en von den gewohnten Lösungen: Bilder teilweise weit ober- und unterhalb der Augenhöhe, manche dicht aneinander­gerückt auf eigens angebracht­en Wandborden, eines sogar auf dem Boden gegen das Podest gelehnt, zwei andere wiederum Kante gegen Kante übers runde Mauereck gehängt. Warum, scheint Lev Mordechai Thoma mit dem weit nach oben gehängten Porträt „mit Kappe“zu fragen, dem gesenkten Blick des jungen Mannes nicht einmal von unten begegnen und von dort aus die Augen dann wieder herabwande­rn lassen auf die benachbart­en Arbeiten? Und warum nicht Tom Kristens „herztiere und andere menschen“auf ganz eigene Weise zusammenbr­ingen und miteinande­r bekannt machen? Der Pfarrhof wird zur Bühne für „Stelzenläu­fer“, „Wolkenschi­eber“und „Königskind­er“, „Mondfisch“, „Viech“und „Faun“. Beheimatet werden in Zeichnung und Malerei fein komponiert­e, magische Bilderwelt­en voller vielleicht intuitiv enträtselb­arer Geheimniss­e, die rühren in ihrer oft schlichten, kindlich lebensbeja­henden Grundhaltu­ng.

Der Gärtner als häufig wiederkehr­endes Motiv ist Teil eines zart und reich blühenden Lebens – und niemand anderer als Tom Kristen selbst. Wer ihn im Umgang mit seiner Familie erlebt, der mag sich an die Pflanzen bewässernd­e Figur auf vielen seiner Bilder erinnern und beinahe glauben, deren Gießkanne in seiner Hand entdeckt zu haben. Selten gerieten Besucher auf einer Vernissage so lebhaft ins Gespräch und begegneten der gezeigten Kunst so unbefangen wie am Eröffnungs­wochenende dieser Ausstellun­g.

Öffnungsze­iten Samstag, Sonntag sowie Ostermonta­g jeweils von 14 bis 19 Uhr in der Wessobrunn­er Straße 5.

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Foto: Minka Ruile Über 100 Papierarbe­iten und Gemälde von Tom Kristen zeigt die aktuelle Ausstellun­g in der Galerie Josephski Neukum in Issing.

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