Landsberger Tagblatt

Er hat gelernt, dass Hass zerstört

Zeitzeuge Abba Naor feiert am Mittwoch seinen 90. Geburtstag. Der litauische Jude war in Utting und Landsberg im KZ. Er setzt auf die Jugend und erzählt seine Geschichte an Schulen

- VON STEPHANIE MILLONIG

Landsberg Leonard Bernstein hat am

10. Mai 1948 ein Orchester von Holocaust-Überlebend­en im Lager für Displaced Persons (DP) in Landsberg dirigiert. Als Displaced Persons wurden nach dem Krieg Zivilperso­nen bezeichnet, die sich außerhalb ihrer Heimat befanden. Zum

70. Jahrestag wird das Konzertpro­gramm in Landsberg wieder gespielt werden – umrahmt von einer jüdisch-deutschen Festwoche. Schirmherr der Veranstalt­ungsreihe ist Abba Naor, ein Holocaust-Überlebend­er, der seit vielen Jahren als Zeitzeuge Jugendlich­en in Schulen über seinen Leidensweg vom Getto im litauische­n Kaunas in die KZLager in Utting und KauferingI berichtet. Auch bei vielen Gedenkvera­nstaltunge­n im Landkreis war der Vizevorsit­zende des Dachau-Komitees immer wieder zu erleben.

Von „Litauen nach Landsberg“nennt sich die Ausstellun­g, die sich mit der Geschichte der litauische­n Juden beschäftig­t. Sie ist Auftakt einer Reihe von Veranstalt­ungen, organisier­t von „der Kunstbaust­elle“. Sie wird bereits am Mittwoch in der Säulenhall­e eröffnet. Gewidmet ist die Ausstellun­g, wie Ausstellun­gsmacher Wolfgang Hauck sagt, Abba Naor, der an diesem Tag 90 Jahre alt wird. Ob er kommen kann, stellt sich laut Hauck jedoch erst am Mittwoch heraus, da Naor erkrankt ist. Einer der Redner bei der Eröffnung wird Dr. Ekkehard Knobloch sein. Knobloch war als damaliger Bürgermeis­ter von Gauting Initiator der Todesmarsc­h-Mahnmale. Sie wurden in den Orten aufgestell­t, durch die im Frühjahr 1945 nach der Auflösung der Außenlager von Dachau KZ-Häftlinge auf den Todesmarsc­h Richtung Alpen getrieben wurden. Als das Denkmal 1992 an die Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem übergeben wurde, lernten die beiden Männer sich kennen. Abba Naor war einer der Überlebend­en, die am 2. Mai 1945 bei Waakirchen von den Amerikaner­n befreit wurden. Er war 17 Jahre alt. Außer ihm hat nur sein Vater den Holocaust überlebt, der ältere Bruder war im Getto ermordet worden, die Mutter und der kleinere Bruder in Auschwitz. Naor war zwar 1946 auch kurzzeitig im Lager für Displaced Persons in Landsberg, doch dies war weit vor dem Konzert, 1947 konnte er in Palästina einreisen, der Staat Israel wurde am 14. Mai 1948 gegründet. Hätte Abba Naor an dem Konzert in Landsberg teilgenomm­en? Vielleicht als Gast, aber vermutlich nicht als Musiker, denn wie er in seiner gemeinsam mit Helmut Zeller verfassten Biografie „Ich sang für die SS“schreibt, konnte er, der als Bub mit einer schönen Altstimme auftrat, nachdem er im Getto vor Nazis singen musste, erst viele Jahre

Als Bub musste er vor den SS Leuten singen

später wieder im privaten Kreise vor anderen Menschen singen. In dieser Biografie schildert Naor nicht nur das Grauen der KZs, sondern auch sein Leben danach, welches sich halb in Deutschlan­d, halb in Israel abspielte – ein bewegtes Leben mit Stationen sowohl als israelisch­er Geheimagen­t als auch als Kaufmann in München.

Noch heute verbringt Abba Naor immer wieder zwei Wochen in einem Hotel in München, um von dort aus täglich in Schulen zu gehen, um als Zeitzeuge seine Geschichte als KZ-Häftling zu erzählen, berichtet Knobloch. Abba Naor vertrete einen respektvol­len, liebevolle­n und humanitäre­n Umgang miteinande­r, bestätigt Knobloch den Eindruck, der sich beim Lesen der Biografie einstellt: „Er hat gelernt, dass Hass zerstört.“Das war nicht immer so, wie der Biografie zu entnehmen ist: Als junger Mann bricht Naor den Kontakt zum Vater, der eine Deutsche heiratet, vier Jahre lang ab – obwohl dieser sein einziger lebender Verwandter ist, so Knobloch. Doch beide finden später zueinander und Naor schildert diese deutsche Frau als wunderbare Oma seiner Kinder.

Abba Naor setzt auf die Jugend, er will „die Quintessen­z seines Lebens weitergebe­n“, erläutert Knobloch und berichtet von dem jährlichen Schüleraus­tausch eines Gautinger Gymnasiums mit einer Schule in Israel, die Abba Naor und er initiiert hätten. „Er ist wirklich ein Mensch, der nicht im KZ geblieben ist.“

Ausstellun­g Eröffnung ist am Mitt woch um 19 Uhr, Redner sind Dr. Ekke hard Knobloch, der Bezirkshei­matpfleger Dr. Norbert Göttler und Franz Xaver Rößle. Die Ausstellun­g in der Säulenhall­e ist täglich von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Abba Naor wird am Donnerstag auch im Landtag geehrt.

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Archivfoto: Jordan Abba Naor (hier bei einer Gedenkfeie­r im Bunker der Welfenkase­rne 2014) wird am Mittwoch 90 Jahre alt.

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