Es gibt keine Kinder zweiter Klasse
Moderne Fortpflanzungstechniken erfüllen verzweifelten Paaren ihren Traum. Kritiker machen es sich oft zu leicht. Denn die Alternativen sind nicht besser
Wer auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen kann, ist bereit, viel für das ersehnte Familienglück auf sich zu nehmen. Da werden Hormone geschluckt, um den Eisprung auszulösen, da werden Zellen im Reagenzglas befruchtet, eingefroren und später eingepflanzt. Diese Möglichkeiten sind eine Errungenschaft der modernen Wissenschaft. Auf manchen mögen diese Formen der Fortpflanzung befremdlich wirken. Doch es ist gut, dass es sie gibt.
Die Nachricht, dass man selbst keinen Nachwuchs zeugen kann, ist nur schwer zu verkraften. Ist es doch ein Ur-Bedürfnis, seine eigenen Gene weiterzugeben. Dass Paare in ihrer Verzweiflung jeden möglichen Weg gehen, um ein – wenn auch nur teilweise – eigenes Kind zu zeugen, ist vollkommen nachvollziehbar. Bei uns müssen die ungewollt Kinderlosen dabei einiges Rechtsverständnis aufbringen, um sich nicht strafbar zu machen. Nur wenige Länder reglementieren die Fortpflanzungsmedizin so stark wie Deutschland. Die Eizellspende etwa ist hierzulande verboten, in vielen Staaten darf sie praktiziert werden.
Doch an manchen Stellen weist das Gesetz erhebliche Lücken auf. Das hat der Dillinger Prozess gegen Mitglieder des Netzwerks Embryonenspende deutlich gemacht. Dessen Vermittlung ermöglicht es Paaren, bei denen sowohl der Mann als auch die Frau unfruchtbar sind oder die sonst auf keinem anderen Weg Eltern werden können, Nachwuchs zu bekommen. Bislang berücksichtigt das Gesetz dies nur am Rande. Hier braucht es dringend klare Ansagen von höherer Stelle.
Das Dillinger Urteil ist dafür nur ein allererster Schritt. Zumal der Freispruch kein wirklicher ist. Im Grunde sagt das Gericht: Die Methode ist verboten, das konnten die Angeklagten aber nicht wissen. Das Thema wird weitere Instanzen beschäftigen. Und auch der Gesetzgeber muss sich darum kümmern. Alles andere als eine Legalisierung wäre hierbei kontraproduktiv. Denn die Alternative wäre ebenso problematisch. Die befruchteten Eizellen für die Embryonenspende stammen von Paaren, die diese Zellen im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung fast zwangsläufig übrig haben. Würde man die Embryonenspende gänzlich verbieten, müsste man das Spenderpaar dazu zwingen, sein befruchtetes Genmaterial zu vernichten. Unabhängig von rechtlichen, ethischen und religiösen Diskussionen, wann Leben beginnt, wäre dies ein gravierender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Und man darf nicht vergessen: Ein Verbot der Embryonenspende in Deutschland würde die Paare ins Ausland treiben. Schon jetzt gibt es einen regelrechten Kinderwunschtourismus. Ob die Paare in Tschechien oder der Ukraine besser beraten sind, ist zweifelhaft.
Um das Wohl von Eltern und Kind im Fokus zu behalten, dürfen keine Gewinnabsichten im Spiel sein. Geht es ums Geld, ist die Moral schnell außen vor – gerade im Bereich der Reproduktionsmedizin ein schwieriger Spagat.
Denn trotz aller modernen Möglichkeiten sollte auch die Wissenschaft bestimmte Normen einhalten. Neben der Kommerzialisierung besteht die Gefahr, dass sich werdende Eltern ihr Kind im Katalog zusammenstellen. Hier ist eine Grenze erreicht. Wird diese gewahrt, sind so manche Bedenken gegenüber künstlichen Befruchtungen unangebracht. Sicher ist es für Kinder belastend, verstreute genetische Wurzeln zu haben. Trotzdem ist jedes Leben ein Geschenk. Eines, das gerade diejenigen zu schätzen wissen, die auf anderem Wege keinen Nachwuchs bekommen können. Hier handelt es sich um absolute Wunschkinder – nicht um Kinder zweiter Klasse.
Das Spenden von Embryonen muss legal sein