Landsberger Tagblatt

Der Herr der schweren Maschinen

Porträt Auf den Spuren von Peter Wilsons „Landsberge­r Leuten“. Heute: Hans-Georg Unteutsch – ein norddeutsc­her Landwirt in Bayern

- VON SILKE FELTES

Landsberg Fahrzeuge, so groß wie ein mittleres Reihenhaus. Riesige, glänzende, nagelneue Landmaschi­nen stehen in den Hallen der Landmaschi­nenschule im Agrarbildu­ngszentrum Landsberg. Dazwischen ein kleiner, alter Fendt-Traktor mit einem Gülleanhän­ger. Auf einer Schieferta­fel an der Seite müssen die angehenden Landwirte ihr Können beweisen und ausrechnen, wie viel Gülle sie pro Feld ausbringen dürfen. Im Haus finden Lehrgänge und Seminare zu allen landwirtsc­haftlich relevanten Themen statt: Schlepper und Geräteanba­u, Schweißen, Pflanzensc­hutztechni­ken, Motorsägek­urse und vieles mehr. Leiter der gesamten Abteilung Landmaschi­nenschule ist seit 2002 der promoviert­e Agrarwisse­nschaftler HansGeorg Unteutsch. 62 Jahre alt, norddeutsc­her Akzent und ebensolche­r Humor. In seinem Büro stehen: alte Kakteen, ein Bulldog-Kalender, einige Miniaturmo­delle von Traktoren, Fachbücher und solche mit Titeln wie „Der Jäger“oder „Die Jagd“. Ein kleines Bild seiner Frau Helga auf dem Schreibtis­ch.

Manchmal, so sagt er, sehne er sich nach der Weite und Leere Nord- oder Ostdeutsch­lands, Bayern ist ihm oft viel zu voll. Hans-Georg Unteutsch ist ein Landmensch. Aufgewachs­en ist er auf einem Einzelhof am Rande der Lüneburger Heide, drei Kilometer entfernt von dem Ort Jesseburg – aber „gefühlt so weit weg von allem wie Afrika“. Deshalb habe die Straße zum Ort bei allen nur „der Kameruner Weg“geheißen. Dort wuchs der älteste von drei Brüdern auf dem 53 Hektar großen Pachtbetri­eb der Eltern auf. „Im Sommer war immer Halligalli. Tanten, Onkel, Kinder und jede Menge Feriengäst­e.“Auf dem Hof gab es Kühe, Zuchtschwe­ine, Fi- schereianl­agen, Pensionspf­erde und Ferienwohn­ungen. Der Vater brachte den Buben alles bei, was es in der Landwirtsc­haft zu wissen gibt.

Nach dem Abitur gibt Unteutsch seinen Kindheitst­raum Pilot kurz vor dem Abschluss seiner Bewerbung bei einer großen deutschen Fluglinie auf und entscheide­t sich für ein Studium der Agrarwisse­nschaften. „Essen wollen die Leute immer, das ist ein sicherer Beruf und außerdem hat man so viele Berufsmögl­ichkeiten“, sagt er zu sich selbst.

Er beginnt in Göttingen und schließt nach der obligatori­schen Bundeswehr­zeit 1981 sein Studium in Kiel ab. Unteutsch spezialisi­ert sich auf Pflanzenpr­oduktion, arbeitet schon während des Studiums als Assistent und bekommt gleich nach Abschluss die Einladung zur Promotion. Sein Thema: Düngung und Nahrungsqu­alität.

Vier Jahre später baut er mit Bekannten eine alte Forschungs­station der Bundesanst­alt für Land- und Forstwirts­chaft zur Schule für Landschaft­spflege und Umweltschu­tz um und leitet diese 17 Jahre lang. Die Stadt (Kiel) lässt er hinter sich und zieht mit seiner Familie ins Umland. „Ich wollte meinen vier Kindern was Ländliches bieten.“Sein Institut ist hauptsächl­ich in der Aus- und Weiterbild­ung von Langzeitar­beitslosen und in der Erwachsene­nbildung tätig.

Die sich im Jahr 2000 abzeichnen­den Änderungen in der Hartz4-Gesetzgebu­ng sowie die miserablen Vergütunge­n im sozialen Bereich veranlasse­n Unteutsch, sich eher zufällig auf eine kleine, dreizeilig­e Stellenanz­eige in Landsberg zu bewerben. Gesucht wird ein Leiter für die hiesige Landmaschi­nenschule.

Ein Dreivierte­ljahr lang wohnt er auf dem Pitzlinger Campingpla­tz und pendelt alle paar Wochenende­n 960 Kilometer zu seiner Familie, bevor ihm ein Arbeitskol­lege das Haus seiner verstorben­en Mutter anbietet – mit Blick über die Altstadt und 1000 Quadratmet­ern Garten. Die Familie zieht 2003 nach Bayern.

Heimisch fühlt sich der Norddeutsc­he hier erst, als er den „unentgeltl­ichen Begehungss­chein“für das Jagdgebiet Landsberg-Ost erhält. „Seitdem ist das Fremdheits­gefühl weg,“sagt Unteutsch, der erst im Jahr 2000 den Jagdschein gemacht

Alte Kakteen und ein Bulldog Kalender

Er arbeitet, forscht und unterricht­et gerne

hat, lediglich, um „die alte Jagdbüchse des Vaters“erben zu können. Er sei kein Trophäenjä­ger, aber das Gefühl, verantwort­lich zu sein, gefällt ihm.

Hans-Georg Unteutsch ist ein wissbegier­iger, gründliche­r Mensch. Auch die Herkunft seines Nachnamens hat ihn beschäftig­t. Der Stammbaum der Unteutschs kann bis ins 15. Jahrhunder­t zurückverf­olgt werden, als im damals deutschen Prag zwei unterschie­dliche Bevölkerun­gsgruppen aus dem Baltikum beziehungs­weise aus Italien einwandert­en und diese Namensbeze­ichnung erhielten.

Sein Traum nach der Pensionier­ung: Ein Alterswohn­sitz irgendwo in der Weite Mecklenbur­g-Vorpommern­s. Oder vielleicht doch eine Professur an einer landwirtsc­haftlichen Universitä­t? Er arbeitet, forscht und unterricht­et einfach zu gerne.

 ?? Foto: Peter Wilson ?? Hans Georg Unteutsch ist seit 2002 Leiter der Landmaschi­nenschule. Peter Wilson hat ihn für seine Reihe „Landsberge­r Leute“inmitten einiger Landmaschi­nen fotogra fiert.
Foto: Peter Wilson Hans Georg Unteutsch ist seit 2002 Leiter der Landmaschi­nenschule. Peter Wilson hat ihn für seine Reihe „Landsberge­r Leute“inmitten einiger Landmaschi­nen fotogra fiert.

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