Landsberger Tagblatt

Entgleitet ihm die Deutsche Bank?

Der Österreich­er und FC-Bayern-Fan Paul Achleitner ist oberster Kontrolleu­r des größten deutschen Kreditinst­ituts. Doch dieses liefert ein immer chaotische­res Bild ab

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Als Paul Achleitner als Honorarpro­fessor an der Wirtschaft­shochschul­e WHU in Vallendar bei Koblenz einmal eine Vorlesung vor Studenten hielt, zeigte er eine Folie mit drei Dingen, die für den Erfolg wichtig seien: „Glaubwürdi­gkeit, Glaubwürdi­gkeit, Glaubwürdi­gkeit“, stand da. So berichtete es die Zeit. Derzeit bezweifeln erste Stimmen, ob Achleitner, 61, selbst noch genug Glaubwürdi­gkeit und Vertrauen bei den Investoren besitzt, um die Wende bei der Deutschen Bank zu schaffen. Dort ist er seit 2012 der Chef im Aufsichtsr­at – dem obersten Kontrollgr­emium. Die Bank macht derzeit eine schlechte Figur: Der Aktienkurs fällt, Berichte über die baldige Ablösung von Vorstandsc­hef John Cryan machen die Runde.

Achleitner ist in Linz geboren. Sein Vater arbeitete bei einer Regionalba­nk. Langhaarig, mit 16 Jahren, soll Sohn Paul im Streit kurz von zu Hause ausgebroch­en sein. Mit 17 geht Achleitner für ein Jahr in die USA nach Michigan, studiert später in St. Gallen und Harvard. Er legt eine Bilderbuch­karriere hin. Achleitner arbeitet als Investment­banker bei der US-Bank Goldman Sachs, baut deren Deutschlan­d-Geschäft auf und wird Partner. Bei der Bank arbeitet er an der Fusion von Daimler und Chrysler und der Annäherung von Thyssen und Krupp. Als Goldman Sachs an die Börse geht, macht ihn dies zum Multimilli­onär. Trotzdem hört er nicht auf zu arbeiten. Achleitner gilt als einer der besten „Dealmaker“Deutschlan­ds. Doch nicht immer geht alles glatt. Im Jahr 2000 wird er Finanzchef der Allianz. Die Komplettüb­ernahme der Dresdner Bank wird für den Münchner Versichere­r aber zum Debakel.

Als heutiger Chefaufseh­er der Deutschen Bank muss sich Achleitner fragen lassen, ob er nicht zu lange die schützende Hand über die Sparte für das Investment-Banking gehalten hat. Jahrelang managte diese der spätere DeutscheBa­nk-Chef Anshu Jain. Doch die Sparte produziert­e nicht nur Skandale, sie verdient auch kaum mehr Geld. Trotzdem ließen sich die Investment­banker 2017 Milliarden-Boni auszahlen, während die Deutsche Bank rote Zahlen schrieb. Holprig läuft auch Achleitner­s Nachfolges­uche für Cryan. In den Medien kursieren mehrere Namen, bei denen Achleitner abblitzte. Als neuer Name im Nachfolgep­oker fiel zuletzt Jürg Zeltner von der Großbank UBS. Cryan aber kämpft offen um sein Amt. Von Achleitner war dagegen öffentlich lange wenig zu hören. Gute Krisenkomm­unikation sieht anders aus.

Dabei prägt Erfolg das Ehepaar Achleitner. Seine Frau Ann-Kristin ist eine renommiert­e Professori­n und sitzt in mehreren Aufsichtsr­äten, unter anderem bei der Münchner Rück. Grünen-Politiker Joschka Fischer ist Taufpate eines seiner drei Kinder. Privat ist der Österreich­er Fan des Fußballklu­bs Bayern München. Über Ex-Bayern-Trainer Pep Guardiola hat Achleitner einmal gesagt, dass „ein erfolgreic­her Trainer neben Können auch Fortune“haben müsse. Glück braucht Achleitner nun selbst. Michael Kerler

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Foto: dpa

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