Jede Fahrt ist ein wenig anders
Ammerseeschifffahrt Für viele Passagiere gehört es zur Tradition, die erste Tour mitzumachen. Das Landsberger Tagblatt ist die große Runde mitgefahren. Dreieinhalb Stunden in einem ganz besonderen Flair
Stegen Von Schüssen mehrerer Böllerschützen aus Inning und Hechendorf verabschiedet, startet der Raddampfer Herrsching am Ostersonntag in Stegen pünktlich um 10.25 Uhr auf seine erste große Fahrt 2018. 118 Passagiere gehen bei Schneeregen an Bord, bei schönem Wetter wären es ein paar mehr. Und für einige geht es erst einmal hinauf zu Schiffsführer Helmut Diller, wie die korrekte Bezeichnung für den „Kapitän“lautet. Hier ein Hallo, da eine Umarmung, dort ein kleiner Schokohase – die Menschen sind vertraut miteinander und vertraut mit der Crew. Die erste Fahrt, für viele „Jahreskartler“eine lieb gewonnene Tradition. 185 Euro kostet es, eine Saison lang mit der Flotte der Bayerischen Seenschifffahrt unterwegs sein zu dürfen.
Katrin Stürz hat eine Jahreskarte. „Den größten Charme haben die Raddampfer, macht sie keinen Hehl aus ihrer Vorliebe für die „Herrsching“und die „Diessen“. Michael Neumeier aus Herrsching ist mit seinem elfjährigen Sohn Xaver gekommen, seit 2008 lassen die beiden keine erste Fahrt aus. Und Xaver will natürlich Kapitän werden, „aber auf dem Meer“. „Die erste und die letzte Fahrt und zwischendurch so viele wie möglich“, so hält es Gaby Herz aus Fürstenfeldbruck. Keine Fahrt sei gleich. „Ich fahre meistens mit dem Helmut“– Gaby Herz hat wie andere der Vielfahrer ein herzliches Verhältnis zu dem Kapitän, der alle Passagiere mit Humor und Kenntnis über die Besonderheiten am Ufer informiert. Da wird in Schondorf beispielsweise nicht nur die Jakobskirche vorgestellt, sondern auch die derzeitige Diskussion um einen Hotelanbau an der „Seepost“neben dem historischen Gotteshaus.
Bei Diller finden sich immer ein paar Kinder im Führerhaus. Geduldig erklärt er die Instrumente und beantwortet Fragen. „Welche Motoren hat das Schiff?“, will der zehnjährige Martin Graf aus Pflaumdorf wissen. Zwei 500-PS-Dieselmoto- ren treiben die Herrsching an, ein 54 Meter langes und 14 Meter breites Schiff, auf dem maximal 500 Passagiere mitgenommen werden dürfen. „Die Herrsching hat 1,80 Meter Tiefgang“, erzählt Diller.
Auch wenn der Kapitän entspannt mit Passagieren plaudert, den See hat er immer im Blick: „Da ist ein Fischernetz“, dreht er den Raddampfer etwas ab, um nicht da- rüber zu fahren. Mit 17 Stundenkilometern Reisegeschwindigkeit durchpflügt die Herrsching gemächlich das Wasser und fährt die Orte am West- und am Ostufer an.
Sacht manövriert Diller den Koloss an die Stege. „Ich hab’s ganz gerne ohne die Querstrahler“, zumeist benutze er auch zum Anlegen nur den Radantrieb. Und auch wenn das Wetter schlecht ist, das Wasser ist relativ ruhig. Nur bei einem Wendemanöver in Herrsching, als der Raddampfer von einer Windböe aus dem Westen erwischt wird, schaukelt es ein wenig. Wellen bis zu einem Meter hoch seien aber schon möglich, erzählt Diller. Problematisch wird es da beim Anlegen und dann entscheidet ein Kapitän schon mal, dass abgewartet wird. Schließlich könnten sich Passagiere verletzen oder es einen Schaden am Schiff geben. Auch die Matrosen Matthias Leis und Heribert Leitner genießen es, wieder auf dem See zu sein. Über den Winter arbeiten die gelernten Handwerker auf der Werft an den Schiffen. „Jeder Tag ist spannend“, sagt Leis zur beginnenden Saison. „Selbst wenn viel los ist im Sommer, es macht immer Spaß“, berichtet Leitner, dass die Passagiere mit den Jahreskarten zu einem erweiterten Freundeskreis geworden seien. Eine von ihnen ist Gabi Badzong, die seit 14 Jahren eine Jahreskarte hat. Am Ostersonntag steigt sie in Dießen mit einem Osternest für die Crew zu.
Von einem ganz besonderen Arbeitsplatz schwärmt auch das Gastroteam. Die immer wieder wechselnden Stimmungen auf dem See faszinieren Bella Öz, und Holger Pönitz. „Jede Fahrt ist anders“, sagt Bella Öz und Pönitz lenkt den Blick auf die Schaufelräder, die hinter einem Fenster zu beobachten sind und in ihrer Bewegung für ein Spiel aus Licht und Schatten sorgen. Das Gefühl auf jedem Schiff sei anders, so Pönitz, aber grundsätzlich herrsche eine Urlaubsatmosphäre auf ihnen. „Diese Energie nimmt man auf“.
Die Chefin der Schiffsgastronomie, Diana Klose, ist heuer in ihrer 20. Saison dabei, den Osterbrunch serviert sie seit zehn Jahren. 80 Prozent seien Stammgäste. Einer davon ist Hermann Gebel, der im Augustinum in Dießen lebt: „Wir haben hier ein Familientreffen mit 35 Personen“, erzählt er – vom Urgroßvater bis zum Urenkel. 100 Personen können in einem Salon bewirtet werden. Auch später in der Saison gibt es Brunchfahrten, die sind jedoch alle schon ausgebucht.
Und während sich die meisten Gäste in den beiden Salons der Herrsching gemütlich machen, bleiben einige wenige dick eingemummt draußen und genießen den Blick auf den blaugrauen See und die wechselnden Stimmungen des Aprilwetters. Passagiere steigen ein, Passagiere steigen aus, 160 Personen ist das Maximum auf dieser ersten Fahrt, die um 14 Uhr nach Stegen zurückkehrt. Beendet ist die Fahrt für einige aber noch lange nicht: „Wir bleiben den ganzen Tag“, sagen Michael Neumeier, Gaby Herz und Katrin Stürz.
Xaver will mal auf dem Meer Kapitän werden