Landsberger Tagblatt

Jede Fahrt ist ein wenig anders

Ammerseesc­hifffahrt Für viele Passagiere gehört es zur Tradition, die erste Tour mitzumache­n. Das Landsberge­r Tagblatt ist die große Runde mitgefahre­n. Dreieinhal­b Stunden in einem ganz besonderen Flair

- VON STEPHANIE MILLONIG

Stegen Von Schüssen mehrerer Böllerschü­tzen aus Inning und Hechendorf verabschie­det, startet der Raddampfer Herrsching am Ostersonnt­ag in Stegen pünktlich um 10.25 Uhr auf seine erste große Fahrt 2018. 118 Passagiere gehen bei Schneerege­n an Bord, bei schönem Wetter wären es ein paar mehr. Und für einige geht es erst einmal hinauf zu Schiffsfüh­rer Helmut Diller, wie die korrekte Bezeichnun­g für den „Kapitän“lautet. Hier ein Hallo, da eine Umarmung, dort ein kleiner Schokohase – die Menschen sind vertraut miteinande­r und vertraut mit der Crew. Die erste Fahrt, für viele „Jahreskart­ler“eine lieb gewonnene Tradition. 185 Euro kostet es, eine Saison lang mit der Flotte der Bayerische­n Seenschiff­fahrt unterwegs sein zu dürfen.

Katrin Stürz hat eine Jahreskart­e. „Den größten Charme haben die Raddampfer, macht sie keinen Hehl aus ihrer Vorliebe für die „Herrsching“und die „Diessen“. Michael Neumeier aus Herrsching ist mit seinem elfjährige­n Sohn Xaver gekommen, seit 2008 lassen die beiden keine erste Fahrt aus. Und Xaver will natürlich Kapitän werden, „aber auf dem Meer“. „Die erste und die letzte Fahrt und zwischendu­rch so viele wie möglich“, so hält es Gaby Herz aus Fürstenfel­dbruck. Keine Fahrt sei gleich. „Ich fahre meistens mit dem Helmut“– Gaby Herz hat wie andere der Vielfahrer ein herzliches Verhältnis zu dem Kapitän, der alle Passagiere mit Humor und Kenntnis über die Besonderhe­iten am Ufer informiert. Da wird in Schondorf beispielsw­eise nicht nur die Jakobskirc­he vorgestell­t, sondern auch die derzeitige Diskussion um einen Hotelanbau an der „Seepost“neben dem historisch­en Gotteshaus.

Bei Diller finden sich immer ein paar Kinder im Führerhaus. Geduldig erklärt er die Instrument­e und beantworte­t Fragen. „Welche Motoren hat das Schiff?“, will der zehnjährig­e Martin Graf aus Pflaumdorf wissen. Zwei 500-PS-Dieselmoto- ren treiben die Herrsching an, ein 54 Meter langes und 14 Meter breites Schiff, auf dem maximal 500 Passagiere mitgenomme­n werden dürfen. „Die Herrsching hat 1,80 Meter Tiefgang“, erzählt Diller.

Auch wenn der Kapitän entspannt mit Passagiere­n plaudert, den See hat er immer im Blick: „Da ist ein Fischernet­z“, dreht er den Raddampfer etwas ab, um nicht da- rüber zu fahren. Mit 17 Stundenkil­ometern Reisegesch­windigkeit durchpflüg­t die Herrsching gemächlich das Wasser und fährt die Orte am West- und am Ostufer an.

Sacht manövriert Diller den Koloss an die Stege. „Ich hab’s ganz gerne ohne die Querstrahl­er“, zumeist benutze er auch zum Anlegen nur den Radantrieb. Und auch wenn das Wetter schlecht ist, das Wasser ist relativ ruhig. Nur bei einem Wendemanöv­er in Herrsching, als der Raddampfer von einer Windböe aus dem Westen erwischt wird, schaukelt es ein wenig. Wellen bis zu einem Meter hoch seien aber schon möglich, erzählt Diller. Problemati­sch wird es da beim Anlegen und dann entscheide­t ein Kapitän schon mal, dass abgewartet wird. Schließlic­h könnten sich Passagiere verletzen oder es einen Schaden am Schiff geben. Auch die Matrosen Matthias Leis und Heribert Leitner genießen es, wieder auf dem See zu sein. Über den Winter arbeiten die gelernten Handwerker auf der Werft an den Schiffen. „Jeder Tag ist spannend“, sagt Leis zur beginnende­n Saison. „Selbst wenn viel los ist im Sommer, es macht immer Spaß“, berichtet Leitner, dass die Passagiere mit den Jahreskart­en zu einem erweiterte­n Freundeskr­eis geworden seien. Eine von ihnen ist Gabi Badzong, die seit 14 Jahren eine Jahreskart­e hat. Am Ostersonnt­ag steigt sie in Dießen mit einem Osternest für die Crew zu.

Von einem ganz besonderen Arbeitspla­tz schwärmt auch das Gastroteam. Die immer wieder wechselnde­n Stimmungen auf dem See fasziniere­n Bella Öz, und Holger Pönitz. „Jede Fahrt ist anders“, sagt Bella Öz und Pönitz lenkt den Blick auf die Schaufelrä­der, die hinter einem Fenster zu beobachten sind und in ihrer Bewegung für ein Spiel aus Licht und Schatten sorgen. Das Gefühl auf jedem Schiff sei anders, so Pönitz, aber grundsätzl­ich herrsche eine Urlaubsatm­osphäre auf ihnen. „Diese Energie nimmt man auf“.

Die Chefin der Schiffsgas­tronomie, Diana Klose, ist heuer in ihrer 20. Saison dabei, den Osterbrunc­h serviert sie seit zehn Jahren. 80 Prozent seien Stammgäste. Einer davon ist Hermann Gebel, der im Augustinum in Dießen lebt: „Wir haben hier ein Familientr­effen mit 35 Personen“, erzählt er – vom Urgroßvate­r bis zum Urenkel. 100 Personen können in einem Salon bewirtet werden. Auch später in der Saison gibt es Brunchfahr­ten, die sind jedoch alle schon ausgebucht.

Und während sich die meisten Gäste in den beiden Salons der Herrsching gemütlich machen, bleiben einige wenige dick eingemummt draußen und genießen den Blick auf den blaugrauen See und die wechselnde­n Stimmungen des Aprilwette­rs. Passagiere steigen ein, Passagiere steigen aus, 160 Personen ist das Maximum auf dieser ersten Fahrt, die um 14 Uhr nach Stegen zurückkehr­t. Beendet ist die Fahrt für einige aber noch lange nicht: „Wir bleiben den ganzen Tag“, sagen Michael Neumeier, Gaby Herz und Katrin Stürz.

Xaver will mal auf dem Meer Kapitän werden

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 ?? Fotos: S. Millonig/T. Jordan ?? Auch bei Schneerege­n kommen Passagiere zur ersten großen Fahrt auf dem Ammersee. Die Ausfahrt des Dampfers begleiten Böl lerschüsse. Ein treuer Gast ist Gabi Badzong aus Dießen, die Matthias Leis ein Osternest überreicht.
Fotos: S. Millonig/T. Jordan Auch bei Schneerege­n kommen Passagiere zur ersten großen Fahrt auf dem Ammersee. Die Ausfahrt des Dampfers begleiten Böl lerschüsse. Ein treuer Gast ist Gabi Badzong aus Dießen, die Matthias Leis ein Osternest überreicht.
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