Wie Minuten zu einer Ewigkeit werden
Notfall Ein Mann hört beim Staudenwirt in Finning ein Motorrad, Bremsgeräusche und einen lauten Knall. Dann wählt er die 110. Was dann passiert, ist für ihn schwer verständlich, für Polizei und Rettungsdienst jedoch nachvollziehbar
Landsberg/Finning Die Motorradsaison im Landkreis begann am Ostermontag mit einem tödlichen Unfall: Bei Oberfinning starb ein 25-jähriger Augsburger, als er offenbar zu spät den seit vergangenem Herbst bestehenden Kreisverkehr wahrnahm. Nach dem Unfall hat sich ein Ohrenzeuge beim LT gemeldet, der den Ablauf der Alarmierung für die Rettungskräfte hinterfragt. Notarzt und Rettungswagen seien erst nach seinen wiederholten Anrufen unter der 110 vor Ort gewesen, erzählt der Mann.
An dem schönen Frühlingstag waren der Mann, der nicht namentlich genannt werden will, und seine Lebensgefährtin nach Finning zum Staudenwirt gefahren. Auf dem Parkplatz habe er mitbekommen, wie ein Motorradfahrer stark beschleunigte, einen Augenblick später seien Bremsgeräusche und schließlich ein „dumpfer Knall“zu hören gewesen. „Da wissen’s eigentlich, was los ist“, sagt der Mann. Noch vom Parkplatz des Staudenwirts wählte er die Notrufnummer 110: „Mir war klar, dass wir einen Hubschrauber brauchen.“Das war, wie die Handydaten des Mannes zeigen, um 16.11 Uhr.
Bei dem diensthabenden Beamten in der Polizei-Einsatzzentrale in Ingolstadt stellte sich die Sachlage nicht gleich so eindeutig dar. Das geht zumindest aus den Schilderungen des Anrufers hervor. Der habe erst einmal gebeten, an den Unfallort zu fahren. Nach zweieinhalb Minuten war das Gespräch beendet. Der Anrufer fuhr zum Kreisverkehr und setzte von dort – das zeigen wiederum seine Handydaten – um 16.16 Uhr einen zweiten Notruf ab. Am Kreisverkehr waren inzwischen weitere Personen eingetroffen, er- zählt der Mann, ein Ärztepaar habe Erste Hilfe geleistet. Dazwischen gingen noch weitere Notrufe ein, sagt der Sprecher des Polizeipräsidiums, Peter Grießer. Um 16.17 Uhr wurden schließlich Feuerwehr, Rettungsdienst und Notarzt alarmiert, so die Auskunft von Schichtleiter Antonio Marhal von der Integrierten Leitstelle in Fürstenfeldbruck. Als Erstes sei die Feuerwehr am Unfallort gewesen, um 16.25 Uhr. Die Polizei traf um 16.26 Uhr ein, um 16.27 Uhr kamen Rettungsdienst und Notarzt hinzu, dann noch ein Rettungshubschrauber. Aus Sicht der Polizei, Feuerwehr und Leitstelle lief alles so ab, wie es sein sollte.
Der Zeuge vom StaudenwirtParkplatz sieht das anders. Er bemängelt, dass nicht gleich bei seinem ersten Anruf der Notarzt alarmiert wurde. Um 16.31 Uhr rief er sogar ein drittes Mal die 110 an, erzählt er weiter, zu einem Zeitpunkt, als die Retter laut Leitstelle bereits am Unfallort waren. Wie das zusamihn menpasst? Möglicherweise sei der Anrufer so unter Schock gestanden, dass er die Rettungskräfte erst einmal gar nicht wahrgenommen habe, mutmaßt Polizeisprecher Grießer.
Dass der Beamte am Notruftelefon erst einmal den Mann gebeten habe, sich ein Bild von dem Unfall zu machen (der Staudenwirt ist vom Kreisverkehr etwa 450 Meter Luftlinie entfernt), sei „nachvollziehbar“, sagt Grießer weiter. Vor allem im Hinblick auf die notwendigen Rettungsmaßnahmen sei es wichtig, nähere Informationen zu bekommen – etwa über die Zahl von Verletzten bei Unfällen.
Wenn es um die Versorgung Verletzter oder Erkrankter geht, sollte vorrangig die 112 gewählt werden. Dann läutet das Telefon in der Integrierten Leitstelle. Man solle aber
Zeitliche Abfolge nicht mehr richtig wahrgenommen?
nicht erst lange überlegen, wo man anruft, sagt Grießer. Auch über die 110 werde sofort die Leitstelle aufgeschaltet, sobald der Beamte erkenne, dass es um einen Unfall geht.
Anrufer sollten mitteilen, wer am Telefon ist, wo etwas und was passiert ist. Dass es im akuten Notfall oft anders abläuft, ist Grießer bewusst. „Da ist jeder aufgeregt, selbst bei Profis wie bei der Polizei oder beim Rettungsdienst geht da das Adrenalin hoch.“
Wichtig sei, alle wichtigen Informationen kurz und schnell weiterzugeben und Rückfragen zu vermeiden. „Denn die halten ein Gespräch auf“, sagt Grießer.
Zu dem tödlichen Unfall am Ostermontag kam es laut Polizei, nachdem der 25-jährige Motorradfahrer aus Richtung Utting kommend die ihn begleitende Gruppe überholte und nicht rechtzeitig den Kreisverkehr bemerkte, der errichtet worden war, um die Stauseekreuzung sicherer zu machen.