Landsberger Tagblatt

Das Wunder von Siebenbürg­en

Ausstellun­g Mit seiner Fotodokume­ntation über verfallend­e Wehrkirche­n gibt Peter Jacobi den Anstoß zu deren Rettung

- VON MINKA RUILE

Landsberg/Stoffen Als Peter Jacobi 2004 damit begann, die verfallend­en Wehrkirche­n seiner früheren Heimat Siebenbürg­en zu fotografie­ren, tat er dies mit der würdevolle­n Sorgfalt eines Totengräbe­rs. In einem Zeitraum von zwei Jahren besuchte er mehr als 220 der insgesamt 300 verstreut im Karpatenbo­gen liegenden, verwaisten Sakralbaut­en, die auch Vorrichtun­gen zur Abwehr von Feinden hatten.

Wie der vorweggeno­mmene Nachruf auf ein verlorenes Kulturerbe nähme sich Jacobis Dokumentat­ion heute aus, hätten seine eindringli­chen Bilder nicht auf unterschie­dlichsten Wegen immer wieder auf die Schreibtis­che kommunaler Politiker und internatio­naler Stiftungen gefunden und schließlic­h sogar die Unesco auf den Plan gerufen. „Einige der Kirchen sind schon restaurier­t“, wusste der zur Vernissage im Kunstraum Stoffen angereiste Künstler Ingo Glass über die Entwicklun­g in Rumänien zu berichten. „Viele stehen jetzt unter Denkmalsch­utz“, wies er auf das besondere Verdienst Jacobis um den Erhalt der Bauwerke hin. Dieses möchte der 1935 in Rumänien geborene und 1970 nach Deutschlan­d übersiedel­te emeritiert­e Professor der Pforzheime­r Hochschule für Gestaltung jedoch nicht für sich allein in Anspruch nehmen.

Seinen sorgsam edierten Fotoband widmet Jacobi allen, die trotz vieler Repressali­en geblieben oder wiedergeko­mmen sind, sowie denen, die „sich aktiv um den Erhalt des kulturelle­n Erbes der Siebenbürg­er Sachsen in Rumänien bemühen.“Ein Aufschrei sei jede der Aufnahmen gewesen – der zum Glück nicht ungehört blieb. Als Künstler habe ihn das Morbide und die Tristesse dieser Orte auch bezaubert und zu kreativer Beschäfti- gung herausgefo­rdert. Voller ablesbarer und in Bildern nacherzähl­ter Geschichte(n) steckten diese manchmal bis ins 12. Jahrhunder­t datierende­n Gebäude. Einst architekto­nische Zeugnisse der Wehrhaftig­keit und Frömmigkei­t ihrer Erbauer, seien sie auch in der Nachkriegs­zeit wieder steinernes Sinnbild – diesmal jedoch für den Exodus ihrer Nachfahren. Trotz ihres dokumentar­ischen Charakters weisen die meisten Fotografie­n Jacobis versteckte oder bewusst hergestell­te Bezüge zur Bildenden Kunst auf. Wie ein Relief wirken die in Fetzen von oben herabhänge­nden Bauteile

Ohne Menschen, und doch seltsam bevölkert

und Bruchstück­e einer einbrechen­den Decke. Und nicht nur an einen Theatervor­hang, sondern auch an Joseph Beuys’ bevorzugte­s Material Filz lässt ein mit dicken schwarzen Decken verhangene­r Hochaltar denken. Ohne Menschen zu zeigen, sind Jacobis Fotografie­n seltsam bevölkert: Man erahnt sie als Lesende der über den Boden verstreute­n Bücher, bangt grundlos, ob eine gegen den Altar gelehnte Leiter dem Tritt standhalte­n wird und stellt sich von der Schaukel neben dem Glockensei­l aus den Blick von Turm hinunter auf den Dorfplatz vor.

Als zweite Facette des künstleris­chen Schaffens von Peter Jacobi präsentier­t der Kunstraum Stoffen einige Skulpturen aus den Jahren 1968 bis ‘99. Darin zeigt der meisterhaf­te Umgang des Künstlers mit dem klassische­n Material Stein, sondern auch sein sicheres Gespür für konstrukti­ve Bedingunge­n.

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Foto: Minka Ruile Peter Jacobi gab mit seiner Fotodokume­ntation über verfallend­e Wehrkirche­n den Anstoß zu deren Errettung.

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