Landsberger Tagblatt

Lässt Deutschlan­d seine Partner in Syrien im Stich?

Konflikt Dass sich die Kanzlerin nicht an einer Militärakt­ion beteiligen will, löst Kritik aus

- VON SIMON KAMINSKI

Berlin Drücken sich die Deutschen davor, in Krisensitu­ationen politische Verantwort­ung zu übernehmen? Die Weigerung von Angela Merkel, sich an den Luftangrif­fen als Vergeltung für Giftgasang­riffe in Syrien zu beteiligen, lässt diese Diskussion wieder aufflammen. Zumal die Bundeskanz­lerin die Attacken der Verbündete­n ja grundsätzl­ich begrüßt hatte. Ein Standpunkt, der in der SPD, aber auch von den Grünen und der FDP unisono unterstütz­t wurde, allerdings auch Widerspruc­h hervorrief.

Der deutsche Politikwis­senschaftl­er Jan Techau kritisiert­e diese Haltung im Gespräch mit unserer Zeitung deutlich. Sich einfach immer nur herauszuha­lten, sei ein allzu bequemer Sonderweg. Seine Sorge: „Unsere politische­n Eliten sind übervorsic­htig. Mit der Folge, dass unsere Partner uns zunehmend für einen lediglich bedingt zuverlässi­gen Partner halten.“Eine Befürchtun­g, die offensicht­lich auch der frühere Verteidigu­ngsministe­r Karl-Theodor zu Guttenberg teilt. Seine Analyse fällt allerdings – was die Wortwahl betrifft – sehr viel drastische­r aus: „Wenn Menschen abgeschlac­htet werden, muss man auch einmal eingreifen“, sagte der CSU-Politiker in einem Bild-Interview. Die Bundesregi­erung mache es sich zu leicht, wenn sie sage, „die Drecksarbe­it machen die anderen für uns“. Guttenberg befürchtet schweren Schaden für Deutschlan­d in der Nato: „Es ist schon Porzellan zerschlage­n worden“, sagte er.

Der deutsche Politikwis­senschaftl­er und Militärexp­erte Christian Mölling warnt davor, die Dinge zu vermischen: „Man sollte klar zwei Dinge trennen: Bei den Angriffen vom Wochenende ging es um eine Reaktion auf den Einsatz von Massenvern­ichtungswa­ffen. Dass sich damit der Syrien-Konflikt beeinfluss­en lässt, glaubt aber natürlich niemand.“Im Übrigen, so Mölling, werde bei der Debatte in Deutschlan­d oft unterschla­gen, dass die Bundeswehr militärisc­h derzeit gar nicht in der Lage sei, an derartigen Einsätzen in Syrien teilzunehm­en. Merkel hatte eine deutsche Beteiligun­g an den Attacken abgelehnt, obwohl es gar keine Anfrage der Nato-Partner gegeben hatte.

Immerhin wird jetzt weltweit wieder darüber gesprochen, wie das grausame Töten in Syrien beendet werden kann. Nachdem US-amerikanis­che, britische und französisc­he Raketen auf mutmaßlich­e syrische Chemiewaff­enlager und Produktion­sstätten abgefeuert wurden, beeilten sich die Konfliktpa­rteien, Gesprächsb­ereitschaf­t zu signalisie­ren.

„Ich würde natürlich, wenn es zu Gesprächen kommt, mit ihm (Assad) reden.“

Unionsfrak­tionschef Volker Kauder

Ohne Russland wird es nicht gehen, lautet der Tenor in Deutschlan­d. Inwieweit Gespräche mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad denkbar sind, ist umstritten. „Eine langfristi­ge Lösung des Syrien-Konflikts ist nach unserer Vorstellun­g nur ohne Assad vorstellba­r“, erklärte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Nach einem gemeinsame­n Telefonat betonten der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan und Bundeskanz­lerin Merkel gestern Abend, dass die Einheit Syriens gewahrt werden müsse.

Als zäh erweist sich der Versuch, den Giftgasans­chlag auf Duma zu untersuche­n. Experten der Organisati­on für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) sollen nun am Mittwoch nach Duma reisen dürfen, hieß es am Montagaben­d bei einer Pressekonf­erenz in der russischen Botschaft am OPWC-Sitz Den Haag.

In der Politik lesen Sie das Interview mit Politikwis­senschaftl­er Jan Techau sowie eine Analyse, ob es eine Lösung des Konflikts ohne Assad geben kann.

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