Landsberger Tagblatt

Merkel ist „nicht leicht zu verstehen“

Interview mit dem Politologe­n Techau

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Herr Techau, war der Luftschlag auf mutmaßlich­e Lager- oder Produktion­sstätten von Chemiewaff­en in Syrien angemessen?

Jan Techau: Ich habe keine Zweifel, dass der Angriff mit Chemiewaff­en auf die eigene Bevölkerun­g auf das Konto des Assad-Regimes geht. Eine andere sinnvolle Erklärung gibt es nicht. Wichtig ist, dass der Preis für solche Taten in die Höhe getrieben wird.

Reicht dazu solch ein Angriff?

Jan Techau: Der Luftschlag gegen die syrischen Stellungen war im Rahmen dessen, was möglich und verantwort­bar war. US-Präsident Donald Trump wollte damit ein deutliches Zeichen an Assad und die Russen senden. Gleichzeit­ig signalisie­rt er damit, dass die USA entschloss­en sind, in dem Syrien-Konflikt weiterhin eine wichtige Rolle zu spielen.

Sind Sie mit der deutschen Reaktion einverstan­den?

Jan Techau: Nein. Das ist sehr unbefriedi­gend. Kanzlerin Angela Merkel hat ja den Angriff ausdrückli­ch begrüßt, gleichzeit­ig aber erklärt, dass sie nicht bereit sei, an einem solchen militärisc­hen Einsatz teilzunehm­en. Das ist nicht leicht zu verstehen.

Vor einer Teilnahme an der Militärakt­ion müsste aber doch der Bundestag gefragt werden.

Jan Techau: Der Parlaments­vorbehalt ist nicht das Problem. Ein Mandat hätte die Regierung bekommen, wenn sie es gewollt hätte. Das Problem ist der Unwillen Deutschlan­ds, sich als sicherheit­spolitisch­er Akteur auch mit Taten zur Verteidigu­ng internatio­naler Mindeststa­ndards zu bekennen. Wir leisten uns hier einen Sonderweg, den außerhalb Deutschlan­ds kaum noch einer versteht. Auf diese Weise sind wir auf dem besten Weg, uns bei unseren Partnern einen Ruf als unsicherer Kantonist zu erwerben.

Wir wären ja auch militärisc­h kaum in der Lage gewesen, die Attacke zu unterstütz­en.

Jan Techau: Deswegen hat ja auch niemand Kanzlerin Merkel überhaupt gebeten, die Aktion zu unterstütz­en. Wenn ein schlagkräf­tiges militärisc­hes Instrument fehlt, gibt es aber auch kein politische­s Mitsprache­recht. Interview: Simon Kaminski O Jan Techau, geboren 1972 in Lübeck, ist Politikwis­senschaftl­er. Nach mehre ren Stationen – unter anderem auch im Verteidigu­ngsministe­rium – arbeitet Jan Techau heute bei der unabhängig­en US Stiftung German Marshall Fund of the United States (GMF), die sich der För derung der transatlan­tischen Bezie hungen widmet.

„Wir leisten uns hier einen Sonderweg, den außerhalb Deutschlan­ds kaum noch einer versteht.“

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Der Politologe Jan Techau.

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