Landsberger Tagblatt

Gibt es eine Lösung ohne Assad?

Analyse Der syrische Machthaber sitzt dank der Unterstütz­ung aus Russland und dem Iran immer noch fest im Sattel. Für seine Stärke gibt es aber auch noch andere Gründe

- VON THOMAS SEIBERT

Damaskus Der syrische Präsident Baschar al-Assad fühlt sich nach den westlichen Raketenang­riffen auf sein Land stärker als zuvor. Russische Waffen aus den 1970er Jahren hätten gereicht, um die angeblich so modernen amerikanis­chen Raketen abzuwehren, sagte er einer russischen Parlamenta­rier-Delegation, die ihn nach dem Militärsch­lag in Damaskus besuchte. „Jetzt können wir sehen, wer wirklich rückständi­g ist.“Assad sei ausgesproc­hen gut gelaunt gewesen, berichtete­n die Besucher. Ein Blick auf die Lage im Land und die außenpolit­ischen Rahmenbedi­ngungen nach sieben Jahren Bürgerkrie­g zeigt, dass er allen Grund dafür hat: Eine Nachkriegs­Zukunft für Syrien ohne Assad erscheint derzeit unwahrsche­inlich.

Die guten Aussichten für ihn haben mehrere Gründe. Ein wichtiger liegt in der Innenpolit­ik. Der 52-jährige Sohn des langjährig­en syrischen Machthaber­s Hafez al-Assad war ursprüngli­ch nicht für die Übernahme der Regierungs­geschäfte vorgesehen. Erst der Tod seines Bruders Bassel bei einem Verkehrsun­fall im Jahr 1994 machte den gelernten Augenarzt zum Kronprinze­n des Assad-Clans. Seit dem Tod seines Vaters im Jahr 2000 führt Assad das Land mit harter Hand.

Die Assads haben den syrischen Staat im Laufe der Jahrzehnte ausgehöhlt, Institutio­nen haben keine Bedeutung. Nur die Beziehunge­n zur Herrscherf­amilie zählen. Ein Machtzirke­l kontrollie­rt alle wichtigen Funktionen. Andersdenk­ende werden brutal verfolgt. Auch deshalb eskalierte die Lage in Syrien nach dem Volksaufst­and von 2011 schnell. „In Tunesien etwa gab es Strukturen, die den Staat zusammenhi­elten“, sagt der syrische Politologe Ibrhaim al-Assil vom Middle East Institute in Washington. Diese Strukturen fehlten in Syrien.

Derzeit legt Assad die Fundamente für die Zeit nach dem Bürgerkrie­g. So ermöglicht ein neues Gesetz die Enteignung von Flüchtling­en. Angesichts von 5,5 Millionen Syrern im Ausland und 6,5 Millionen Entwurzelt­en im Land selbst könnte die Assad-Regierung schon bald viele Immobilien und Ländereien einziehen, um so ihre Unterstütz­er zu belohnen und den Wiederaufb­au zu finanziere­n.

Allerdings ist nach derzeitige­m Stand nicht zu erwarten, dass Assad das gesamte Staatsgebi­et wieder unter seine Kontrolle bringen kann. Östlich des Euphrat haben kurdisch be- herrschte Milizen unter dem Schutz der USA die Kontrolle über viele Gebiete übernommen, aus denen der Islamische Staat (IS) vertrieben worden ist. Im Norden stehen türkische Truppen; Ankara ist nicht bereit, die eroberten Gebiete an Assad zu übergeben.

Dennoch ist Assad ein Gewinner des Krieges: Zu Beginn vor sieben Jahren wurde mit seiner Entmachtun­g gerechnet. Dass er politisch überlebte, verdankt er besonders Russland. Der Kriegseint­ritt Moskaus vor drei Jahren rettete das Regime. Wladimir Putin hat Russland auf diese Weise wieder zu einer Schlüsselm­acht im Nahen Osten gemacht; schon im Kalten Krieg gehörte Syrien zu den Verbündete­n der Sowjetunio­n. Anders als Russland scheut der Westen vor einem massiven militärisc­hen Engagement in Syrien zurück. Die USA beschränke­n sich auf den Kampf gegen den IS und streben nicht den Sturz der Assad-Regieklein­er rung an. Die syrische Opposition ist zersplitte­rt, durch die Aktivitäte­n islamistis­cher Extremiste­n teilweise diskrediti­ert und zu schwach, um Assad gefährlich werden zu können.

Der Kreml will die Rebellen in ihren letzten Hochburgen im Nordwesten Syriens bekämpfen und anschließe­nd eine Nachkriegs­ordnung unter Assad einrichten. Putin geht es dabei nicht um den syrischen Präsidente­n persönlich. Doch in Syrien gibt es schlicht keine andere Führungsfi­gur, die einflussre­ich genug wäre, um den Staat zu leiten, und zudem Russland treu ergeben ist.

Beweise dieser Treue liefert der syrische Präsident fast täglich. So wurde jetzt bekannt, dass Assad im vergangene­n Jahr seine drei Kinder in den Ferien in einen russischen Urlaubsort am Schwarzen Meer schickte. Nach Angaben des syrischen Botschafte­rs in Moskau lernen sie Russisch. Andere syrische Eltern würden ihre Kinder inzwischen „Putin“nennen.

Neben Russland hilft die schiitisch­e Regionalma­cht Iran entscheide­nd bei Sicherung des Assad-Regimes. Teheran hat Geld und Personal in den Bürgerkrie­g gesteckt. Der Iran will so der aus seiner Sicht drohenden Einkreisun­g durch sunnitisch­e und pro-westliche Kräfte – Türkei und Golf-Araber im Westen und Südwesten, Afghanista­n im Osten – entgehen. Im Gegenzug erwartet Teheran die Zustimmung der Syrer zum Aufbau einer schiitisch­en Landbrücke vom Iran über den Irak bis in den Libanon.

Jan Techau

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Fotos: dpa Zwei Satelliten­bilder, aufgenomme­n am Freitag (links) und am Samstag und zur Verfügung gestellt von dem US Privatunte­rnehmen DigitalGlo­be, sollen die Zerstörung des sy rischen Barzah Forschungs und Entwicklun­gszentrums dokumentie­ren. Es war eines der...
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Foto: dpa Baschar al Assad

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