Landsberger Tagblatt

Mit 130 durch Kempten gerast

Justiz Im Allgäu stehen zwei Männer vor Gericht, die sich mit ihren PS-Boliden ein Rennen geliefert haben. Wegen eines neuen Gesetzes kommt sie die Aktion teuer zu stehen

- VON MICHAEL MUNKLER

Kempten Es ist Allerheili­gen vergangene­n Jahres, abends gegen 21.25 Uhr: Nachdem eine Ampel am Adenauerri­ng in Kempten auf Grün geschaltet hat, geben die beiden dort wartenden Autofahrer kräftig Gas. Am Steuer des Mercedes C220 und eines Peugeot 405 sitzen die jetzt angeklagte­n Maschinena­nlagen-Führer, auf den Beifahrers­itzen jeweils ein Kumpel. Auf einem Straßenstü­ck von nur 600 bis 700 Metern sollen die beiden Autofahrer auf bis zu 130 Stundenkil­ometer beschleuni­gt haben. Der Besatzung einer zufällig folgenden Polizeistr­eife fallen die beiden rasenden Autofahrer auf. Der mit drei Polizeibea­mten besetzte, 180 PS starke BMW sei aber zu langsam gewesen, um zu folgen, sagen die Beamten als Zeugen vor Gericht. Er habe schon 120 km/h oder mehr auf dem Tacho gehabt, schildert der fahrende Beamte vor Gericht: „Aber wir kamen da nicht hinterher.“Erlaubt ist auf dem Kemptener Adenauerri­ng eine Geschwindi­gkeit von 60 Stundenkil­ometern.

Schließlic­h habe man das Blaulicht angeschalt­et und einen der beiden Raser angehalten. Der andere fährt zunächst davon, wird aber wenig später von der Besatzung einer anderen Streife gestoppt und zur Rede gestellt.

Alkoholtes­ts verlaufen bei beiden Fahrern negativ. Dennoch ermitteln Polizei und Staatsanwa­ltschaft nach dem Vorfall. Denn seit Oktober 2017 gelten illegale Straßenren­nen nicht mehr nur als Ordnungswi­drig- keit, sondern als Straftat. Einer der Polizisten berichtet am Montag vor dem Amtsgerich­t in Kempten, er habe zu seinem Kollegen gesagt: „Ich glaube, die fahren ein Rennen.“Bei den Autos habe es sich aber nicht um auffällig getunte Pkw gehandelt, sagten die Beamten im Zeugenstan­d.

Wenig erhellend sind die Aussagen der beiden jungen Männer, die an jenem Abend auf den Beifahrers­itzen saßen. Die Lenker hätten lediglich auf 70, maximal 80 Stundenkil­ometer beschleuni­gt, beteuerten sie. Er sei überzeugt, dass es sich bei beiden Angaben um klare Falschauss­agen handle, entgegnet der Richter in seiner Urteilsbeg­ründung. Strafverte­idiger Marc Armatage und seine Kollegin Isabel Rayer hegten in ihren Plädoyers erhebliche Zweifel, dass es sich bei der Tat um ein illegales Autorennen handelt, wie man es in der Raserszene einer Großstadt kennt. Armatage vermutet gar, es sei den Polizisten wohl in erster Linie darum gegangen, den erst am 13. Oktober neu eingeführt­en Straftatbe­stand „mal anzuwenden“.

Wenn überhaupt, sagt der Verteidige­r, könne das Verhalten der beiden Angeklagte­n als Ordnungswi­drigkeit bestraft werden. Verteidige­rin Rayer hält für ihren Mandanten einen Freispruch für angemessen. Zuvor hat der Staatsanwa­lt ein noch höheres Strafmaß gefordert: Für jeden 120 Tagessätze zu jeweils 70 und 80 Euro. Das Gericht verurteilt die beiden 23-Jährigen zu Geldstrafe­n in Höhe von 4200 und 4800 Euro.

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Foto: Patrick Seeger, dpa Illegale Autorennen gelten seit Oktober 2017 als Straftat. Das Amtsgerich­t Kempten wendete das neue Gesetz nun erstmals an.
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