Landsberger Tagblatt

Kampf um Bayerns Boden

Was Experten zum Flächenver­brauch im Freistaat sagen

- VON HENRY STERN

München Kann eine fixe Obergrenze den hohen Flächenver­brauch in Bayern bremsen? Oder gibt es bessere Lösungen, die fortschrei­tende Versiegelu­ng von Freifläche­n zu stoppen? Bei einer Expertenan­hörung im Landtag gingen die Meinungen zu diesem Thema weit auseinende­r. Einig waren sich Wissenscha­ftler, Kommunen, Umweltschü­tzer und Bauernverb­ände allerdings in der Forderung, dass der Freistaat Bayern deutlich mehr als bisher tun muss, um das Problem in den Griff zu bekommen.

Umweltverb­ände, aber auch mehrere Wissenscha­ftler sprachen sich klar für einen fixen landesweit­en Zielwert für den Flächenver­brauch aus – wie es auch das von den Grünen initiierte Volksbegeh­ren gegen Flächenfra­ß vorsieht. Dort wird eine maximale Flächenver­siegelung von fünf Hektar pro Tag eingeforde­rt – zuletzt lag der bayerische Flächenver­brauch bei fast zehn Hektar am Tag. Das Innenminis­terium hatte eine Zulassung des Volksbegeh­ren kürzlich jedoch wegen rechtliche­r Bedenken zunächst abgelehnt. Auch Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte „Verbote und starre Flächengre­nzen“in seiner Regierungs­erklärung am Mittwoch als „falschen Weg“bezeichnet. Stattdesse­n

Kommunen lehnen fixe Obergrenze­n strikt ab

versprach er mehr staatliche­s Geld für die Dorferneue­rung.

„Ohne eine klare Zielvorgab­e werden wir den Flächenver­brauch in Bayern aber nicht stoppen können“, warnte im Landtag Richard Mergner vom Bund Naturschut­z. Schützenhi­lfe kam von den Experten für Planungsre­cht und Regionalen­twicklung: Der Instrument­enkasten, mit dem vorhandene­s Bauland effektiver genutzt werden könnte, sei seit Jahrzehnte­n bekannt, sagte etwa Jana Bovet vom Helmholtz-Zentrum für Umweltfors­chung in Leipzig. Trotzdem ändere sich fast nichts. Grund dafür sei der fehlende Handlungsd­ruck auf allen politische­n Ebenen: „Wir brauchen ein verbindlic­hes Sparziel als Anstoß, sich ernsthaft mit dem Problem auseinande­rzusetzen.“

Auch der Raumplaner Manfred Miosga von der Universitä­t Bayreuth sprach sich für ein verbindlic­hes Flächenspa­rziel aus. Erstaunlic­h sei zudem, dass der höchste Flächenver­brauch in Bayern bei kleinen Kommunen mit weniger als 3500 Einwohnern und in struktursc­hwachen Gebieten liege. Grund dafür sei die oft trügerisch­e Hoffnung, nur mit Neubaugebi­eten und neuen Gewerbeans­iedlungen Steuereinn­ahmen generieren zu können.

Die Kommunen lehnen derweil fixe landesweit­e Obergrenze­n wegen des Eingriffs in die kommunale Planungsho­heit strikt ab. Zufrieden mit der Unterstütz­ung des Freistaats ist man dort allerdings auch nicht: So fehlten wirksame Regelungen für einen kommunalen Zugriff auf ungenutzte Grundstück­e innerhalb der bestehende­n Siedlungsg­ebiete oder für eine flächenspa­rende Bauleitpla­nung, sagte Matthias Simon vom Gemeindeta­g. Der Gesetzgebe­r lasse die Kommunen hier „im Regen stehen“.

Der Bauernverb­and setzt derweil auf ein „gesetzlich­es Erhaltungs­gebot“für landwirtsc­haftliche Flächen: Seit 1960 seien in Bayern 840000 Hektar Landwirtsc­haftsfläch­en verschwund­en, sagte Bauernpräs­ident Walter Heidl: „Dieser Entzug ist dramatisch und muss endlich eingedämmt werden.“Heidl forderte eine gesetzlich­e Verpflicht­ung, landwirtsc­haftliche Ersatzfläc­hen für neu bebaute Äcker oder Wiesen zu schaffen.

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Foto: Dieter Primig Der Film „Guantanamo Baby“zeigt, wie die Welt hinter den Gitterstäb­en eines Kinderbett­chens sein kann. Er wurde bei den DAFF 2016 ausgezeich­net.

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