Nicht zu viel auf die Zinsangst geben
Zu Beginn des Jahres waren die sehr optimistischen Weltwirtschaftsvisionen die Treiber für massive Zinserhöhungs- und damit Aktienängste. Aber müssten – wenn man dieser Logik folgt – die jetzt etwas weniger üppigen Konjunkturambitionen umgekehrt nicht auch ein wirksames Mittel gegen zinsangstbedingte Aktiendepressionen sein? Und wenn der IWF nach 2020 eine Abschwächung der Weltwirtschaft prognostiziert und die Europäische Zentralbank gleichzeitig ihr Inflationsziel bis dahin ohnehin als nicht erreichbar ansieht, geht der Kelch harter Zinserhöhungen an uns vorüber. Davon abgesehen, mit der Digitalisierung steht der nächste Inflationskiller schon bereit.
Überhaupt, das reibungsfreie Management der weltweiten Überschuldung ist auch zukünftig ohne ordentlich freizügige Geldpolitik so wenig möglich wie die menschliche Besiedlung des Mars. Sollten die Notenbanken ihre psychologische Lufthoheit über die Finanz-Stammtische verlieren, kann aus einer unruhigen Schulden-Mücke schnell ein systemgefährdender Elefant werden. Unser mühsam wiederaufgebautes Weltfinanzsystem würde dann so baufällig wie ein vom Holzwurm befallenes Gartenhäuschen. Und dann fällt auch der Konjunktur das Gesetz des Hühnerstalls auf die Füße: Wenn Hühner keine Ruhe finden, legen sie keine Eier.
Vor diesem Hintergrund hat die medial so heiß gekochte Zinsangst als Menetekel für einen bevorstehenden Aktienuntergang nicht mehr Substanz als eine Rindfleischbrühe aus der Tüte.
Hintergrund ist, dass in der kommenden Woche unter anderem am Donnerstag der Rat der Europäischen Zentralbank in Frankfurt tagt. Auch das Thema Zinsen steht dann auf der Agenda.