Landsberger Tagblatt

Das Gras flog aus dem Fenster

Vor Gericht geht es um 200 Gramm Marihuana. Kam der süße Geruch aus der Pizzeria?

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Ein Jahr und acht Monate Haft drohen einem 37-jährigen Landsberge­r wegen Drogenbesi­tzes. Er soll rund 200 Gramm Marihuana aus dem Fenster geworfen haben, als die Polizei mit Durchsuchu­ngsbefehl bei ihm zu Hause aufkreuzte. Der Angeklagte hat das Urteil des Schöffenge­richts unter Vorsitz von Richter Alexander Kessler nicht akzeptiert. Den süßlichen Drogengeru­ch in seiner Wohnung schiebt er einem Pizza-Dienst in die Schuhe.

An einem kalten Januarmorg­en 2017 rückte die Polizei gegen 7 Uhr überrasche­nd bei dem Verdächtig­en an. Allerdings wurde den Beamten im dritten Stock des Reihenhaus­es nicht gleich geöffnet, obwohl sie einen richterlic­hen Durchsuchu­ngsbeschei­d dabeihatte­n. Die Ordnungshü­ter waren dem Beschuldig­ten über seinen Chat-Verkehr mit einem Bekannten und seinem Handy auf die Schliche gekommen. Und eben dieser 20 Jahre alte Bekannte lag an diesem besagten Morgen auch auf der Couch in der Wohnung des Angeklagte­n.

Wenig später machte die 25 Jahre alte Ehefrau des Angeklagte­n den Beamten die Wohnungstü­re auf. Bei der Durchsuchu­ng wurden die Polizisten schnell fündig, wie sie als Zeugen vor Gericht aussagten. Marihuana-Geruch führte sie schnurstra­cks in das Schlafzimm­er des Ehepaars. Dort stießen sie auf eine Drogen-Feinwaage, Brösel von Marihuana und eine Tasche, in der dem Geruch zufolge Rauschgift gelagert worden war. Noch interessan­ter wurde es außerhalb des Gebäudes: Vom Balkon aus waren auf dem Gehsteig und auf dem Parkplatz bei der Wohnanlage je ein Druckversc­hluss-Folienbeut­el und zudem eine Alu-Kugel zu sehen. Wie sich herausstel­lte, befanden sich in den Tüten rund 200 Gramm Marihuana. Nach Angaben der Polizisten hatten die Gegenständ­e bei ihrem Kommen noch nicht auf dem Boden gelegen: „Wir sind dort auf dem Weg zur Durchsuchu­ng vorbeigega­ngen“, so einer der Beamten vor dem Gericht.

Auf der gefundenen Alu-Kugel wurde eine DNA-Spur gefunden, die dem 20 Jahre alten Bekannten des Angeklagte­n zugeordnet werden konnte, sagte Richter Kessler. Der Mann aus dem nördlichen Landkreis gab als Zeuge vor Gericht an, er wisse von nichts. Er habe mit dem Marihuana nichts zu tun. Allerdings räumte er ein, jahrelang Drogen konsumiert zu haben. Jetzt, nach einer Therapie, die kurz vor dem Abschluss stehe, jedoch nicht mehr. Außerdem wurde bekannt, dass er in der Vergangenh­eit wegen eines Drogendeli­kts bereits vor Gericht gestanden hatte.

Die Vorstrafen­liste des 37-jährigen Angeklagte­n ist länger. Bei ihm stehen fünf Einträge im Register, darunter drei einschlägi­ge. Mit den Antworten des Mannes konnte Staatsanwä­ltin Katharina Horn nicht viel anfangen. Die seien zu widersprüc­hlich. Noch drastische­r drückte sich der hauptamtli­che Schöffenri­chter aus. Er sprach von „Märchen aus 1001 Nacht“, die der Angeklagte dem, Gericht auftische. Kessler führte einige Beispiele ins Feld, unter anderem: Der süßliche Geruch, den die Polizisten feststellt­en, sei aus einer Pizza-Bäckerei gekommen. Außerdem habe man der Polizei bereits nach zehn bis 15 Sekunden die Türe geöffnet. Die Beamten sprachen hingegen von mehreren Minuten.

Rechtsanwa­lt Joachim Feller sah den Sachverhal­t anders als das Gericht und die Anklage. Er forderte Freispruch für seinen Mandanten. Es gebe überhaupt keinen Beweis für die Schuld des 37-Jährigen. Staatsanwä­ltin Horn beantragte ein Jahr und zehn Monate Haft.

Schöffenri­chter: „Das sind Märchen aus 1001 Nacht“

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Symbolfoto: Alexander Kaya Ein 37 jähriger Landsberge­r soll 200 Gramm Marihuana in zwei Tüten aus dem Fens ter geworfen haben. Er bestreitet das.

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