Jugendhilfe wird teurer
Weil Eltern finanziell entlastet werden, muss der Landkreis tiefer in die Tasche greifen. Ist die Lage aber wirklich so schlecht oder gibt es noch andere Ursachen?
Die Kommunen können sich über kräftig sprudelnde Einnahmen freuen. Auf der anderen Seite wachsen auch die Kosten. Zum Beispiel bei der Jugendhilfe.
Landsberg Die Kommunen können sich nicht nur über kräftig sprudelnde Einnahmen freuen, auf der anderen Seite wachsen auch die Kosten. Die Jugendhilfe, die in die Zuständigkeit des Landkreises fällt, ist so ein Fall – und der wurde in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses des Kreistags genauer betrachtet.
Ein Versprechen, das Kreisrat Erwin Karg (Freie Wähler) dem Leiter des Amts für Jugend und Familie, Peter Rasch, abgenommen hatte, bildete den Aufhänger für die Bestandsaufnahme. Rasch hatte versprochen, alle Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Denn die Ausgaben für die Jugendhilfe bekommt der Landkreis teilweise von Eltern oder anderen öffentlichen Stellen ersetzt. Trotzdem steigen seit ein paar Jahren die Kosten, die beim Landkreis hängen bleiben. Während die Ausgaben seit 2016 mit rund 19,5 Millionen Euro recht stabil seien, wie Rasch sagte, rutschten die Einnahmen in dieser Zeit von rund neun auf rund sieben Millionen Euro ab.
Das liege im Wesentlichen an dem neuen Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe, erklärte Rasch. Das bedeute beispielsweise, dass Eltern, deren Kinder ganz oder teilweise in Heimen untergebracht werden, nicht mehr so hohe Kostenbeiträge zahlen müssten als früher. Davon profitierten vor allem Geringverdiener, während der Landkreis einen höheren Anteil bestreiten müsse.
Dazu komme aber auch, dass immer stärker Jugendhilfeleistungen beansprucht werden, die für die Eltern kostenlos sind. Darunter fallen Hilfen bei Dyskalkulie (Rechenschwäche) und Legasthenie (Rechtschreibschwäche). In diesen Bereich spielt laut Rasch auch die Inklusion hinein, die das Ziel hat, dass auch Kinder mit Behinderungen und Auffälligkeiten in eine Regelschule gehen sollen. Für diese Schüler müsse eine wachsende Zahl von Schulbegleitern tätig werden. Mo- mentan seien es im Landkreis 25. Im Vergleich zu manchen anderen Landkreisen in der Nachbarschaft, wo es teilweise rund 80 Schulbegleiter gebe, sei dies noch eine vergleichsweise kleine Zahl.
Außerdem wies Rasch darauf hin, dass Jugendhilfemaßnahmen allgemein teurer geworden sind. So sei 2011 der höchste Tagessatz für die Betreuung eines Kindes oder Jugendlichen bei 360 Euro gelegen, aktuell seien es 420 Euro. Das summiere sich im Jahr auf über 150 000 Euro, eine Summe, über die weder Amtsleiter noch Landrat allein entscheiden dürften. Der Kostenbeitrag der Eltern bleibe hingegen gleich. „Seit ich im Jugendhilfeausschuss bin, sehe ich, wie schlecht die Welt ist“, seufzte Erwin Karg nach dem Bericht des Amtsleiters. Allerdings, so fügte Rasch gegenüber dem LT an: Von 100 Kindern und Jugendlichen im Landkreis benötigten nur statistische 3,5 Hilfe, die anderen 96,5 seien „eine deutliche Mehrheit“.
Landrat Thomas Eichinger (CSU) machte auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: „Die gesellschaftliche Sichtweise auf Kinder und darauf, was mit Kindern sein darf, hat sich verändert. Die Wertschätzung des kindlichen Lebens ist ganz anders geworden.“Damit wachse das Bedürfnis nach Hilfe. Dass es, wie im Ausschuss angemerkt wurde, vermehrt auffällige Kinder gebe, die kaum beschult werden könnten, erklärte Eichinger auch mit dem Wandel des Verhältnisses von Eltern und Kindern: Eine partnerschaftliche Beziehung trete an die Stelle der Erziehung.
Margit Eradis-Peterhoff, die Leiterin der SOS-Beratungsstelle in Landsberg, machte hingegen darauf aufmerksam, „dass der Druck auf die Familien in den vergangenen zehn bis 15 Jahren zugenommen hat“. Das gelte für die Eltern im Beruf genauso wie für die Kinder in der Schule. „Viele Jugendliche sind zum Beispiel mit dem G 8 dermaßen unter Druck geraten, dass sie nicht mehr können“, sagte Eradis-Peterhoff.
Auch die Inklusion spielt mit hinein