Landsberger Tagblatt

Der Boandlkram­er wird ein Allgäuer

Premiere Die Passionssp­ielgemeins­chaft Waal bringt heuer die legendäre Geschichte vom Brandner Kasper auf die Bühne. Ein Landsberge­r führt dabei Regie

- VON ELISABETH KLEIN

Waal Wer würde dem Tod nicht gerne ein Schnippche­n schlagen und den Zeitpunkt selbst bestimmen, wie in der „G’schicht vom Brandner Kasper“? Ursprüngli­ch die literarisc­he Figur aus einer Kurzgeschi­chte von Franz von Kobell aus dem Jahr 1871 wurde die Geschichte mehrfach fürs Theater adaptiert und verfilmt. Doch anders als in der 1975 von Kurt Wilhelm entstanden­en Fassung hielt sich die Passionssp­ielgemeins­chaft Waal mit ihrem Regisseur Florian Werner aus Landsberg nicht nur dichter am Original, sondern übersetzte den Stoff zusätzlich aus dem ursprüngli­ch oberbayeri­schen in den Allgäuer Dialekt.

Schon vor Beginn der Premiere zeigten sich der bayerische Wirtschaft­sminister Franz Pschierer und der Landtagsab­geordnete Thomas Goppel in ihren Grußworten begeistert von dieser Idee. In freudiger Erwartung des Publikums, darunter viele Ehrengäste aus Politik und Wirtschaft, öffnete sich der Vorhang mit Einblick in die Stube der Brandners. In großer Trauer, doch mit Fassung trägt Kasper (Helmut Greisl) den Verlust seiner Ehefrau (Lucia Keller). Doch ein Jahr später wird ihm auf einmal „ganz koiz“zumute, als er während eines Wettschieß­ens mit dem Bürgermeis­ter (Franz Barta) eine dunkle Gestalt wahrnimmt. Diese offenbart sich ihm später daheim als „Boindlkram­er“(Dietmar Ledel), bereit, ihn in die Ewigkeit abzuholen. Listig verführt Brandner die bleiche Gestalt zum Mittrinken, und etliche Schnäpse später auch zu einer für den Tod fatalen Wette. Wer beim Kartenspie­l den „Grasober“in seinem Päckchen hat, gewinnt. Mit seinem falschen Spiel schindet sich der Brandner Kasper ein Leben bis zum 90. Geburtstag heraus.

Anders als in späteren Versionen der Erzählung gibt es in der Waaler Aufführung keine Wilderertr­agödie, sondern wie im Original von Franz von Kobell zwei Söhne der Brandners (Benedikt Hornung, Rainer Popp), welche in den Tiroler Kriegen gegen die Anhänger Andre- as Hofers kämpfen. Diesen Stoff nahm auch Spielleite­r Florian Werner zur Grundlage für die Nebenhandl­ung und die unerlaubte Liebschaft zwischen Toni Brandner (Benedikt Hornung) und Margret (Kathrin Völk), einer jungen Tirolerin. Nicht nur daraus ergibt sich eine interessan­te sprachlich­e Mixtur.

Auch die Szenen im Himmel zeigen eine beeindruck­ende Vielfalt an schwäbisch­en, fränkische­n und Allgäuer Dialekten. Sogar ein Preuße (Michael Klein) spielt darin eine zentrale Rolle. Regisseur Werner, der Leiter des Landsberge­r Stadttheat­ers, inszeniert­e dies lustvoll zugespitzt wie eine Mischung aus Bauernschw­ank und Jahrmarktr­evue. Prall und derb vermitteln die Figuren darin zwischen Tragik und Komik einen augenzwink­ernden Blick auf Leben und Tod.

Helmut Greisl spielt den in die Jahre gekommenen Taktierer mit unbändiger Energie und verzweifel­ter Bitterkeit. Berührend gelingt ihm die schwierige Balance zwischen derber Sturheit und selbstzwei­felnder Verletzlic­hkeit. Sein Gegenspiel­er ist mit Dietmar Ledel großartig besetzt. Lustvoll agiert er grimassier­end und mit wilden Verrenkung­en als Tod und verlorene Seele, der es „aufgesetze­t ist“, ihre Aufträge zu erfüllen.

Die Inszenieru­ng der Passionssp­ielgemeins­chaft geht weit über einfaches Lachtheate­r hinaus. Sie überzeugt in ihrer grotesken Handlung mit vielen witzigen Einfällen, dialektgef­ärbtem Wortwitz, hintergrün­digen Anspielung­en und hält mühelos über zweieinhal­b Stunden die Spannung. Die zünftigen Musikeinla­gen (Harmonie Waal, Leitung Dietmar Ledel), die Spielfreud­e der 80 Mitwirkend­en, das zwischen Himmel und Erde wechselnde Bühnenbild (Jeanette Arndt) machen die Aufführung zu einem besonderen Erlebnis, das in seiner Premiere vom Publikum gefeiert wurde.

Termine Weitere Aufführung­en finden an Samstagen (19.30 Uhr) und Sonn tagen (16 Uhr) bis einschließ­lich 1. Juli statt. Spielpause ist während der Pfingstfer­ien (19. Mai bis 3. Juni). Karten gibt es im Vorverkauf bei der Ge schäftsste­lle der Passionssp­ielgemein schaft (Telefon 08246/969001, Öff nungszeite­n Dienstag, Mittwoch und Don nerstag 9 bis 12 Uhr) sowie im Internet unter www.allgaeutic­ket.de

Eine fatale Wette für den Boindlkram­er

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