Der Boandlkramer wird ein Allgäuer
Premiere Die Passionsspielgemeinschaft Waal bringt heuer die legendäre Geschichte vom Brandner Kasper auf die Bühne. Ein Landsberger führt dabei Regie
Waal Wer würde dem Tod nicht gerne ein Schnippchen schlagen und den Zeitpunkt selbst bestimmen, wie in der „G’schicht vom Brandner Kasper“? Ursprünglich die literarische Figur aus einer Kurzgeschichte von Franz von Kobell aus dem Jahr 1871 wurde die Geschichte mehrfach fürs Theater adaptiert und verfilmt. Doch anders als in der 1975 von Kurt Wilhelm entstandenen Fassung hielt sich die Passionsspielgemeinschaft Waal mit ihrem Regisseur Florian Werner aus Landsberg nicht nur dichter am Original, sondern übersetzte den Stoff zusätzlich aus dem ursprünglich oberbayerischen in den Allgäuer Dialekt.
Schon vor Beginn der Premiere zeigten sich der bayerische Wirtschaftsminister Franz Pschierer und der Landtagsabgeordnete Thomas Goppel in ihren Grußworten begeistert von dieser Idee. In freudiger Erwartung des Publikums, darunter viele Ehrengäste aus Politik und Wirtschaft, öffnete sich der Vorhang mit Einblick in die Stube der Brandners. In großer Trauer, doch mit Fassung trägt Kasper (Helmut Greisl) den Verlust seiner Ehefrau (Lucia Keller). Doch ein Jahr später wird ihm auf einmal „ganz koiz“zumute, als er während eines Wettschießens mit dem Bürgermeister (Franz Barta) eine dunkle Gestalt wahrnimmt. Diese offenbart sich ihm später daheim als „Boindlkramer“(Dietmar Ledel), bereit, ihn in die Ewigkeit abzuholen. Listig verführt Brandner die bleiche Gestalt zum Mittrinken, und etliche Schnäpse später auch zu einer für den Tod fatalen Wette. Wer beim Kartenspiel den „Grasober“in seinem Päckchen hat, gewinnt. Mit seinem falschen Spiel schindet sich der Brandner Kasper ein Leben bis zum 90. Geburtstag heraus.
Anders als in späteren Versionen der Erzählung gibt es in der Waaler Aufführung keine Wilderertragödie, sondern wie im Original von Franz von Kobell zwei Söhne der Brandners (Benedikt Hornung, Rainer Popp), welche in den Tiroler Kriegen gegen die Anhänger Andre- as Hofers kämpfen. Diesen Stoff nahm auch Spielleiter Florian Werner zur Grundlage für die Nebenhandlung und die unerlaubte Liebschaft zwischen Toni Brandner (Benedikt Hornung) und Margret (Kathrin Völk), einer jungen Tirolerin. Nicht nur daraus ergibt sich eine interessante sprachliche Mixtur.
Auch die Szenen im Himmel zeigen eine beeindruckende Vielfalt an schwäbischen, fränkischen und Allgäuer Dialekten. Sogar ein Preuße (Michael Klein) spielt darin eine zentrale Rolle. Regisseur Werner, der Leiter des Landsberger Stadttheaters, inszenierte dies lustvoll zugespitzt wie eine Mischung aus Bauernschwank und Jahrmarktrevue. Prall und derb vermitteln die Figuren darin zwischen Tragik und Komik einen augenzwinkernden Blick auf Leben und Tod.
Helmut Greisl spielt den in die Jahre gekommenen Taktierer mit unbändiger Energie und verzweifelter Bitterkeit. Berührend gelingt ihm die schwierige Balance zwischen derber Sturheit und selbstzweifelnder Verletzlichkeit. Sein Gegenspieler ist mit Dietmar Ledel großartig besetzt. Lustvoll agiert er grimassierend und mit wilden Verrenkungen als Tod und verlorene Seele, der es „aufgesetzet ist“, ihre Aufträge zu erfüllen.
Die Inszenierung der Passionsspielgemeinschaft geht weit über einfaches Lachtheater hinaus. Sie überzeugt in ihrer grotesken Handlung mit vielen witzigen Einfällen, dialektgefärbtem Wortwitz, hintergründigen Anspielungen und hält mühelos über zweieinhalb Stunden die Spannung. Die zünftigen Musikeinlagen (Harmonie Waal, Leitung Dietmar Ledel), die Spielfreude der 80 Mitwirkenden, das zwischen Himmel und Erde wechselnde Bühnenbild (Jeanette Arndt) machen die Aufführung zu einem besonderen Erlebnis, das in seiner Premiere vom Publikum gefeiert wurde.
Termine Weitere Aufführungen finden an Samstagen (19.30 Uhr) und Sonn tagen (16 Uhr) bis einschließlich 1. Juli statt. Spielpause ist während der Pfingstferien (19. Mai bis 3. Juni). Karten gibt es im Vorverkauf bei der Ge schäftsstelle der Passionsspielgemein schaft (Telefon 08246/969001, Öff nungszeiten Dienstag, Mittwoch und Don nerstag 9 bis 12 Uhr) sowie im Internet unter www.allgaeuticket.de
Eine fatale Wette für den Boindlkramer