Was nach der Befreiung kam
Zeitgeschichte Jüdisch-Deutsche Festwoche erinnert an ein denkwürdiges Konzert in Landsberg vor 70 Jahren
Landsberg Das Gedenken an den Holocaust und die Befreiung der jüdischen Häftlinge aus den Konzentrationslagern ist seit Jahren auch in Landsberg fester Bestandteil des Jahreslaufs geworden. In diesem Jahr wird es um eine Jüdisch-Deutsche Festwoche vom 7. bis 13. Mai erweitert. Dabei wird an ein Konzert erinnert, das vor 70 Jahren in Landsberg ein junger aufstrebender jüdischer Dirigent und Komponist leitete: Leonard Bernstein.
Bernstein dirigierte am 10. Mai 1948 in Landsberg ein Orchester, das sich aus Profi-Musikern aus dem Lager der sogenannten DPs („Displaced Persons“, also Menschen, die im Laufe des Krieges verschleppt und entwurzelt wurden) zusammensetzte. Drei Tage später wurde am 13. Mai 1948 der Staat Israel gegründet. Zu diesem doppelten 70. Jahrestag soll auch der Bogen in die Zukunft geschlagen werden. Deshalb initiierten die Landsberger Journalistin Karla Schönebeck und der Künstler Wolfgang Hauck („die KunstBauStelle“) den Wolf Durmashkin Composition Award (WDCA), einen Wettbewerb für Nachwuchskomponisten zum Thema „Musik und Holocaust“. Die Musikstücke, die am 9. Mai mit Preisen ausgezeichnet werden, werden am Donnerstag, 10. Mai, im Stadttheater im Rahmen des Bernstein-Jubiläumskonzerts (13 und 20 Uhr) uraufgeführt – mit namhaften Musikern wie dem jungen New Yorker Pianisten Guy Mintus und dem Tenor Yoed Sorek aus Augsburg, die mit dem Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie auftreten.
Wolf Durmashkin war ein jüdischer Komponist aus Litauen, der 1944 in einem estnischen KZ ums Leben kam. Hätte er überlebt, hätte er vielleicht eine ähnlich erfolgreiche Zukunft vor sich gehabt wie sein Zeitgenosse Leonard Bernstein. Die Verbindung Durmashkins mit Landsberg besteht darin, dass zwei Schwestern von ihm, Fanya und Henya im DP-Lager in Landsberg lebten und dem Orchester angehörten, das Bernstein 1948 in Landsberg dirigierte. Auf deren Spur war Karla Schönebeck gestoßen, als sie vor Jahren in der Stadtbibliothek in einer jüdischen Lagerzeitung das Programm des Bernstein-Konzerts fand. Damals bekam Schönebeck vom Leiter der Militärgeschichtlichen Sammlung „Erinnerungsort Weingut II“, Gerhard Roletschek, auch ein Buch mit dem Titel „Symphony on Fire“überreicht, geschrieben von Sonia Beker, der Tochter von Fanya Durmashkin.
Sonia Beker wird zur Festwoche in Landsberg und St. Ottilien, wo sie eine Gedenktafel enthüllen wird, ebenso erwartet wie ihr Cousin, der Filmproduzent Abe Gurko, und ihre Cousinen Rita Lerner und Vivian Reisman, die Kinder von Henya Durmashkin sind. Aktuell arbeitet Abe Gurko an einem Dokumentarfilm über seinen Onkel Wolf, ein Teil davon wird im Rahmen des Jubiläumskonzerts am 10. Mai gedreht. Ein besonderes Erinnerungsstück an jene Tage im Mai 1948 wird am 7. Mai im Foyer des Landsberger Rathauses zu sehen sein: Der Flügel, auf dem damals Leonard Bernstein spielte. Er gehörte damals Dr. Peter Kubierschky, der während des Zweiten Weltkriegs Arzt im Lazarett in St. Ottilien und nach Kriegsende im DP-Hospital war.
Vervollständigt wird das Programm der Festwoche von zwei Filmaufführungen: Der 60-minütige Film „Creating Harmony“von Jan Michalczyk (mit deutschen Untertiteln, Filmforum im Stadttheater am 7. Mai um 20 Uhr) erinnert an das DP-Orchester, außerdem ist ein Kurzfilm mit dem Titel „Mr. Bernstein“von Deb Filler zu sehen. Der Vater der Filmemacherin war ein Zeuge des Landsberger BernsteinKonzerts gewesen.
Wolfgang Hauck betont: „Das Konzert war ein Wendepunkt, es zeigte, es geht wieder aufwärts.“Drei Tage später wurde der Staat Israel gegründet. Daran soll am 13. Mai als Schlusspunkt der JüdischDeutschen Festwoche ein Festakt im Landratsamt erinnern.