Wie Künstler arbeiten und leben
Rundgang Im Rahmen der Dießener Ateliertage waren 13 Kreativräume an drei Tagen geöffnet. Den Besuchern wurde an den unterschiedlichsten Orten Einblick gewährt
Dießen Ob im Bauwagen, im Zelt, im Garten, unterm Dach, im Hinterhof oder im Wohnzimmer – Kunst entsteht, wo Kreativität zu Hause ist. Das zeigten die Künstler bei den Dießener Ateliertagen auf beeindruckende Art und Weise. Das verlockende Angebot, unterschiedlichste Ateliers und Oeuvres, häufig nur einen Steinwurf voneinander entfernt, betrachten zu können, nutzten insbesondere am Sonntag und am 1. Mai unzählige Kunstfreunde aus Nah und Fern.
An die 400 Menschen könnten es in ihrem Atelier im ehemaligen Stellwerk an der Ammerseebahn allein am Sonntag gewesen sein, schätzt die Malerin Annunciata Foresti. Dort blühen auf großformatigen Leinwänden Lilien, Hortensien und Rosen als farbgewaltige Blumenstillleben. Die Ateliertage in Dießen hat Foresti bereits zum dritten Mal gemeinsam mit Nue Ammann initiiert.
„Mein Atelier ist in meinem Kopf“, sagt Ammann, die für ihre Präsentation einen grandiosen Platz im öffentlichen Raum gefunden hat: Im Monopteros, dem kleinen Kunsttempel am schönsten Aussichtspunkt im Schacky-Park, präsentierte sie das Konzept für ihre Textinstallation „Me-We“. Thema: Die Singularität und Pluralität des Ich, die Wechselwirkung zwischen Ich und Wir: In einer Glasfläche spiegeln sich die großen Lettern ME und werden zum WE. Das ME reflektiert das WE und umgekehrt. Was auf den ersten Blick wie eine rein grafische Installation wirkt, wird auf den zweiten Blick zur ethischen Grundsatzfrage.
Vom Schacky-Park aus ist es ein schöner Spaziergang hinauf zu Burkhardt Niesel in die Schatzbergstraße. Dort wurden großformatige Landschaftsmotive im idyllischen Garten präsentiert – im Atelier ein Selbstporträt und Landschaftsdetails mit Bleistift gezeichnet. Natur ist auch das Thema für Christoph Franke. In seinem Lebensumfeld zeigt der international ausgezeichnete Fotograf, der am liebsten Bäume fotografiert, großartige Aufnahmen in Rastertechnik, die wie Zeichnungen wirken. Birken, Pappeln und Eichen stehen auf dem Kopf und fordern den Betrachter auf, sich auf die grafische Schönheit der Bäume zu konzentrieren.
Urbanität ist das Thema der Fotografin Gabriele Rothweiler. Ihre großformatigen, städtischen Impressionen, gedruckt auf Leinwand oder Alubond-Platten, vermitteln durch Mehrfachbelichtungen Zeitsprünge im ruhenden Bild. In Kürze wird Rothweilers Paris-Reise auf der ARTMUC in München zu sehen sein. Liebe zum Detail zeichnet die Fotoarbeiten von Sabine Jakobs aus. Mit ihrer Serie „Sedie“erzählt sie von der Begegnung mit Kaffeehausstühlen aus den 50er-Jahren im ligurischen Dörfchen Valloria.
Doch zurück zur Malerei: Nach frischer Ölfarbe duftet es im Atelier von Inge Frank im altehrwürdigen „Lidlbräu“und einstigen Lebzelterhaus der Familie Spitzenberger an der Herrenstraße. Dort entstehen Ölgemälde in einer eigens entwickelten Mischtechnik, mit speziell aufbereiteten Farbpigmenten in reinsten Farben. Inge Frank schafft archaisch wirkende, von eigenen Erlebnissen inspirierte Farbexplosionen, die einen ins wogende Meer eintauchen lassen oder die Hitze auf der Sinai-Halbinsel spürbar machen.
Etwas versteckt in einem Hinterhof an der Mühlstraße liegt unterm Dach das lichtdurchflutete Atelier von Silke Gottschalk. Der studierten Theatermalerin, die in München, Dresden und Berlin an renommierten Bühnen tätig war, ist das große Format vertraut. Technik und Materialien sind ungewöhnlich. Als Malgrund verwendet die Künstlerin feine Mesh-Folie, wie sie für großflächige Werbeflächen benutzt wird. Die perforierte Folie wird von Gottschalk von beiden Seiten bemalt. Die Farben schlagen durch und erzeugen, je nach Intensität, eine leuchtende, räumliche oder auch freskenhafte Bildwirkung.
13 Künstler schafften es somit auf unvergleichliche Weise, ihre inspirierenden Lebens- und Arbeitswelten zugänglich zu machen und den Kunstflaneuren einen unvergesslichen Spaziergang durch die kreative Welt der Marktgemeinde am Ammersee zu ermöglichen.
Fotoarbeiten mit der Liebe zum Detail