Sie zeichnet das Konzert in Wald und Flur auf
Porträt Beatrix Saadi-Varchmin beschäftigt sich mit der Musikalität der heimischen Vögel. Im Wald bei ihrem Wohnort Hagenheim und auch in anderen Gefilden ist sie mit dem Richtmikrofon unterwegs
Hagenheim Ein Holzhaus am Ortsrand von Hagenheim, wild umrankt von Geißblatt, Blauregen, Jungfernrebe, Wein und Osterluzei. Ein freundlicher schwarz-weißer Hund kommt schwanzwedelnd herausgelaufen. Über der Straße zeugt ein kleiner Gemüsegarten mit einem Schild des Landesbunds für Vogelschutz davon, dass hier nicht nur gegartelt, sondern auch der Natur besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Leidenschaft von Beatrix Saadi-Varchmin gehört den Vögeln und ihrer individuellen Sangeskunst, die sie auf CD bannt.
Wer mit ihr in den Wald geht, dem vermittelt Beatrix SaadiVarchmin etwas von der Einzigartigkeit der Sänger. Ihr Interesse geht weit übers Identifizieren des Gesangs hinaus, sie setzt sich mit der Musikalität der Vögel auseinander und hält zu diesem Thema auch Vorträge. Sie findet es richtig, wenn man das Vogelkonzert im Wald erst einmal wie Musik wahrnimmt. Und gerade jetzt im Frühjahr, früh am Morgen, ist es ein Klangteppich, der für den Laien kaum auseinanderzudividieren ist. „Es ist in Ordnung, sich den Vögeln so zu nähern.“
Beatrix Saadi-Varchmin, die in Niedersachsen bei Peine aufwuchs, bekam vom Vater die erste Kohlmeise gezeigt. „Zum Einschlafen habe ich immer den Ringeltauben zugehört“, berichtet sie, dass der Klang der Vögel für sie schon früh von Bedeutung war. Schon als Kind sei sie von der Anmut der Vögel begeistert gewesen. „Ich war in einem Naturverein und mit zwölf Jahren ein Hörexperte.“Morgens sei sie oft von zu Hause fortgeschlichen und Hochmoor gefahren, um dort Watvögel zu beobachten.
In der Jugend verlegte sie sich durch intensive Beschäftigung mit Literatur und insbesondere Lyrik auf das „innere Hören“. „Die Vögel habe ich aber nie aus den Augen und Ohren verloren.“Saadi-Varchmin studierte Biologie und Chemie mit Zusatzfach Deutsch fürs Lehrfach in Hannover und erwarb ein Diplom in Erwachsenenbildung. „Sprache ist zweite große Leidenschaft.“Sie bekam eine Tochter.
1941 geboren, bewegten die erheblich jünger wirkende 76-Jährige auch die gesellschaftlichen Entwicklungen in den 1960er- und 1970erJahren, sie engagierte sich als Pädagogin an der Gesamtschule im niedersächsischen Garbsen, die 1971 als offener Schulversuch begonnen wurde. Sie arbeitete auch an einer Reihe von Projekten mit, unter anins derem an einer Ausstellung zum Thema Kinderarbeit. In Berlin hatte sie ein Stipendium für ein Romanprojekt und unterrichtete Anatomie, Physiologie und Biochemie an einer Heilpraktikerschule. Bis ihr Mann, ein Physiker, pensioniert wurde, lebten beide zuletzt in Berlin, dann ging es 2002 zur Tochter nach Hagenheim. Auch dort engagierte sich Beatrix Saadi-Varchmin und war 2015 Mitinitiatorin des Unmeine terrichts für Asylbewerber. „Der Bürgermeister hat zwei Räume im Feuerwehrhaus zur Verfügung gestellt.“Auch im Naturschutz engagiert sich das Ehepaar, beispielsweise beim Einsatz bei der Krötenwanderung. Und Jochim Varchmin ist im Kreis-Vorstand des LBV.
2005 begann sie mit einem Richtmikrofon Vogelgesang aufzunehmen und eine CD zu brennen. „Ein befreundeter Toningenieur half . . .“Und sie erarbeitete ein kleines Booklet zu der CD. Das Schöne daran: Es handelt sich nicht nur um einzelne Vogelstimmen, sondern es sind Konzerte, in der jeder der Musiker samt dem hervorstechenden Solisten vorgestellt wird: „Ein Zaunköniggesang in einem anderen Klangraum... Im Hintergrund eine Amselflöte, Wintergoldhähnchen, Buchfinken mit Finkenschlag und Regenruf, ein Zilpzalp“, wird da ein Track beschrieben.
„Ich komme immer mehr auf die Musikalität der Vögel“, erläutert sie. In einem ihrer Referate trägt sie Klangbeispiele klassischer Musik vor: Im Barock sei der Kuckucksgesang ein beliebtes Motiv gewesen. Und in der modernen E-Musik gibt es Komponisten wie den Finnen Einojuhani Rautavaara, bei dessen Kompositionen Bandaufnahmen arktischer Vögel ein fester Bestandteil sind. Denn es geht beim Vogellied nicht nur um Funktionalität wie Revierabgrenzung oder männliches Werben um eine Partnerin.
„Warum sollten sie so komplizierte Gesänge entwickeln?“, fragt Saadi-Varchmin. Vögel lebten in Klangräumen und nutzten diese auch.
Einer, der weniger zu den schönen Sängern, aber zu den markanten Tonkünstlern gehört, meldet sich, um ein Beispiel zu geben von seiner Virtuosität: Ein Eichelhäher macht einen Mäusebussard nach. Warum er das macht, fragt ratlos der Laie. SaadiVarchmin: „Weil er es kann.“