Die Frage der Woche Pflanzen verschenken?
Hätte irgendjemand gefragt, wo das schöne Gastgeschenk abgeblieben ist, wenn Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron statt einer jungen Eiche eine Magnumflasche Champagner zu Donald Trump ins Weiße Haus gebracht hätte? Eben. Ein Bäumchen ist zwar kein Pandabär, wie ihn manche Staatenlenker gerne verschenken – aber doch etwas Belebtes, Wesenhaftes, nicht Austauschbares. Was in Erde wurzelt, atmet, wächst, das verändert sich. Selbst eine olle Topfpflanze hat diesen Pulsschlag des Lebendigen. Sogar eine Schwiegermutterzunge ist kein Nullachtfuffzehn-Geschenk.
Was aber auch stimmt: Wer Pflanzen verschenkt, macht dem Beschenkten nicht nur Freude, sondern auch Arbeit. Quarantäne (wie Trumps Eiche), gießen, Schädlinge bekämpfen, Blätter mal abstauben, umtopfen … Ist es deshalb ein Gebot der Rücksichtnahme, keine Pflanzen zu verschenken, oder wenn, dann nur Schnittblumen, die nach einer Woche ohne schlechtes Gewissen welk in die Tonne dürfen? Kann man so sehen. Kein Gast fragt drei Monate später nach dem Wohlergehen des Rosenstraußes, den er einst mit großer Geste überreicht hat. Aber nach einem Orangenbäumchen oder nach der seltenen Orchidee erkundigt ein Schenker sich noch nach Jahren wie nach einem Familienangehörigen. Das setzt den Beschenkten dauerhaft durchaus unter Druck. Einerseits. Andererseits aber gibt es nichts, was sich so selbstverständlich einnistet im Leben eines Menschen wie eine Pflanze – ob auf der Fensterbank oder im Garten. Geschenke, die mitwachsen, um die man bangt, die aufgepäppelt werden müssen und neben uns altern, sind einzigartig. Wer einen Ableger verschenkt, teilt sein Leben mit einem anderen. Diamonds are forever? Pflanze tut’s auch.
Seit einem Jahr steht er auf dem Wohnzimmerschrank und fristet seine traurige Existenz – ein Kaktus, ein Geschenk der Eltern. Keine kräftige, stachelbewehrte Pflanze, sondern ein kraftloses Wirrwar aus braungrünen Trieben. Ein Geschenk will kein Mensch verkommen lassen, aber eine Pflanze ist kein Geschenk: Sie ist eine Verpflichtung.
Eine Orchidee etwa, das heimliche Weichei unter den Pflanzen, braucht nicht nur passendes Licht, genug Wasser und spezielle Erde – bei ihr muss sogar der PH-Wert des Bodens stimmen. Menschen ohne grünen Daumen kämpfen täglich um das Weiterleben der Blume. Wenn sie daran scheitern, ist beim nächsten Besuch des Schenkenden Ärger angesagt: „Wo ist denn die Blume? Hast du dich etwa nicht darum gekümmert?“Die Pflanze wird zum Politikum, zu einer ermordeten
Geisel in den eigenen vier Wänden.
Der Kaktus auf dem Wohnzimmerschrank ist genügsamer, er verzeiht auch eine wochenlange Trockenphase. Was er aber nicht abkann: mangelndes Sonnenlicht. In einer kleinen Wohnung ist gerade das aber ein begehrtes Gut. Niemand will sich das Fensterbrett voller Pflanzen stellen, wenn sich eh nur mittags ein paar Sonnenstrahlen in die Zimmer verirren. Also kommt der Kaktus in eine etwas dunklere Ecke und fristet eine Existenz irgendwo zwischen Staubfänger und Kompostkandidat. Nein, das ist kein Geschenk, das Freude bereitet.
Für Gartenbesitzer, Balkongärtner oder Topfpflanzenliebhaber mag eine Pflanze tatsächlich eine Freude sein. Vorausgesetzt, er hat einen grünen Daumen. Und er hat Platz dafür. Für alle anderen ist es so, als würde man einem Wüstenbewohner einen Goldfisch schenken – ein kurzes Vergnügen für alle Beteiligten.