Mit Humor und Naivität
Stadttheater Roberto Ciulli philosophiert über die Natur des Clowns, über die Angst und wie man sie überwindet
Landsberg Clowns schaffen Distanz – bei aller Nähe. Wir können uns mit ihnen identifizieren, haben aber zugleich genügend Möglichkeiten, den Sicherheitsabstand bei Gefahr zu vergrößern. Insofern werden sie zu idealen Trägern menschlicher Absonderlichkeiten und persönlicher Wesensmerkmale. Wir können ihrem Tun mit Vorurteilen begegnen, Hoffnungen in sie pflanzen oder ihnen Klischees andichten und im schlimmsten Fall sehen, wie sie scheitern. Dabei jedoch von ihnen lernen. Denn Clowns besitzen die Gabe, mit Humor und Naivität die Welt zu spiegeln. Besonders eine Welt, die aus den Fugen geraten scheint.
Das hat sich wohl auch Roberto Ciulli gesagt, als er schon vor einigen Jahren das Stück „Clowns 21/2“entwarf und auf die Bühne des Theaters an der Ruhr brachte. Es ging um das Altern, das an die Tür klopft und unnachgiebig Einlass verlangt, bis man drin ist, in der Seniorenresidenz. Nun die Fortsetzung „Clowns im Sturm“. Nein, das biologisch Unaufhaltsame ist nicht mehr Thema. Jetzt geht es um gesellschaftliche Auseinandersetzungen mit der Gegenwart, die uns tagtäglich und fast überall begegnen. Wie gehen die Clowns mit Ängsten und deren Überwindung um? Gibt es auch hier Möglichkeiten, einige Dinge zu lernen? Ja, die gibt es, wie am Donnerstag im Landsberger Stadttheater dank Roberto Ciullis Ensemble nachzuerleben war. Egal, ob man das Geschehen als eine Fortsetzung von „Clowns 21/2“erkennt oder auch nicht.
Die Geschehnisse und die daraus ableitenden Gedanken sind genau jene, die uns heute tagtäglich begegnen und mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. So oder so. Das Fremdaussehen und -verhalten von neuen Nachbarn, der vergessene Rucksack und seine auslösende Verunsicherung, ein Steinkonzert, das inhaltlich kaum jemand versteht, aber eine Mordsgaudi ist, der Suizid, dem die Konsequenz abhandengekommen ist – bis genügend Ablenkung zum Weiterleben auffordert, verspielte Zaubernummern, die schreckliche Exekution von Menschen und die sturmgepeitschte Flucht übers weite Meer.
Ciullis erspart seinen Clowns (und dem Publikum) auf ihrer Odyssee durch die Welt nur wenig. Für ihn ist diese liebenswerte Truppe Gradmesser des Ertragbaren und Stimmungsbarometer in einem. Er gibt ihnen dabei die ganze Palette des Reagierens an die Hand, so, wie auch wir sie kennen: Vorurteile, Hoffnungen, Lebenslügen, Enttäuschungen, diebische Freude, tiefe Traurigkeit - alles ist mit an Bord des Flüchtlingsbootes, bis es sinkt. Ob das freundlich begrüßende Wesen am Ufer, das am Ende zum gemeinsamen Kochen einlädt, nur Fantasie ist? Vielleicht. Mit vielen kleinen Details bekommen die „Clowns im Sturm“poetischen Tiefgang. Bühnenaccessoires als Metaphern, Musik (Matthias Flake) als sinnliche Abstraktion, Ciullis und Helmut Schäfers Weltsicht wird auch ohne Text deutlich und erlebbar. Dank eines beeindruckend spielenden Ensembles.