Landsberger Tagblatt

Ein Prozess für alle Fälle

Verbrauche­rschutz Die Musterfest­stellungsk­lage soll Kunden schneller zu ihrem Recht verhelfen. Doch gerade für Betroffene des VW-Diesel-Skandals könnte es eng werden

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die Bundesregi­erung hat einen Gesetzentw­urf zur Einführung einer Musterfest­stellungsk­lage beschlosse­n. Verbrauche­r sollen demnach künftig mehr Rechte bei der Durchsetzu­ng ihrer Ansprüche gegenüber Unternehme­n haben. Hunderttau­sende Volkswagen-Kunden, die vom Diesel-Skandal um manipulier­te Schadstoff­werte betroffen sind, können nun auf eine Entschädig­ung hoffen. Doch gerade für sie ist es nun entscheide­nd, dass das Gesetz zügig vom Bundestag verabschie­det wird. Denn Ende des Jahres verjähren die Ansprüche zahlreiche­r Geschädigt­er der VWAffäre.

Mit der sogenannte­n Musterfest­stellungsk­lage sollen Verbrauche­r in Fällen, in denen viele Betroffene auf gleiche Weise einen Schaden erlitten haben, einfacher an Schadeners­atz kommen – ohne selbst klagen zu müssen. Bislang muss jeder Kunde selbst gegen ein Unternehme­n klagen, doch das ist teuer, aufwendig und riskant. Im Erfolgsfal­l gilt das Urteil nur für den Klagenden, weitere Betroffene müssen jeweils selbst vor Gericht ziehen. Anders als in der Volkswagen-Affäre geht es zudem oft um vergleichs­weise geringe Beträge – etwa um unzulässig­e Bankgebühr­en, fehlerhaft­e Strompreis­abrechnung­en oder rechtswidr­ige Vertragskl­auseln. Die Bereitscha­ft, den Klageweg zu bestreiten, ist entspreche­nd gering. Künftig gibt es nun eine Klagemögli­chkeit von Verbänden – etwa Verbrauche­rschutzorg­anisatione­n – gegen Unternehme­n. Für eine Klage müssen zunächst mindestens zehn Verbrauche­r ihre Betroffenh­eit darlegen. Ist die Klage eingereich­t, können sich weitere Betroffene in ein Klageregis­ter eintragen. Der Verjährung ist vorgebeugt und das Musterfest­stellungsv­erfahren wird zwischen dem Verband und dem Unternehme­n geführt. Das Risiko und die Kosten trägt nicht der einzelne Verbrauche­r, sondern der Verband. Bekommt der klagende Verband recht, orientiert sich auch die Entschädig­ung der weiteren Betroffene­n an diesem Urteil. Justiz- ministerin Katarina Barley von der SPD kündigte an, die „Einer-für-alle-Klage“werde rechtzeiti­g zum 1. November kommen, damit auch die Betroffene­n des VW-Skandals davon profitiere­n könnten. Der stellvertr­etende Unionsfrak­tionsvorsi­tzende Ulrich Lange sagte gegenüber unserer Zeitung: „Das ist natürlich eine Folge des Volkswagen-Skandals, die Rechte betroffene­r Dieselfahr­er werden dadurch entscheide­nd gestärkt.“Zahlreiche teure Gerichtspr­ozesse in derselben Sache würden dadurch verhindert und die Geschädigt­en entlastet, so Lange. In der parlamenta­rischen Debatte müssen jetzt das Augenmerk auf die Ausgestalt­ung gelegt werden. „Eine Klageindus­trie wie in den USA wollen wir verhindern“, so der CSUPolitik­er.

Auch ADAC-Chefjurist Markus Schäpe begrüßt die Entscheidu­ng: Auf Anfrage unserer Zeitung sagte er: „Die Musterfest­stellungsk­lage ist ein wichtiges Instrument, um den Betroffene­n gerade im Diesel-Skandal zu ihrem Recht zu verhelfen.“Indem berechtigt­e Verbände klagen könnten, würden rechtliche Fragen einmal abschließe­nd behandelt. „Anschließe­nd können die Verbrauche­r dann gegenüber dem Hersteller ihre Ansprüche geltend machen – mit Verweis auf das Ergebnis der Musterfest­stellungsk­lage.“Wenn etwa einmal vor Gericht geklärt werde, dass der Einbau einer Betrugssof­tware in ein Dieselauto eine Wertminder­ung darstelle, „dann muss der Autobauer eben entspreche­nd eine Entschädig­ung zahlen – oder gar das Fahrzeug zurücknehm­en“.

Auch der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen begrüßt den Gesetzentw­urf und mahnt, der Bundestag müsse bei der Umsetzung nun Tempo machen – damit die Ansprüche der VW-Kunden nicht verjähren.

Aus der Wirtschaft kommt Kritik. So hält der Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) das Gesetz für überflüssi­g, neue Klageinstr­umente seien „nicht notwendig“, da Deutschlan­d bei der Durchsetzu­ng von Verbrauche­rrechten „gut aufgestell­t“sei, so der Verband.

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Foto: Volker Hartmann, dpa Die Musterfest­stellungsk­lage soll es Verbrauche­rn erleichter­n, ihre Ansprüche gegen Konzerne durchzuset­zen.

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