Landsberger Tagblatt

Nach Zugunglück: Scharfe Kritik an Bahn

Verkehr Bayerische Regiobahn und Verkehrsmi­nisterin Aigner fordern nach dem Unfall in Aichach mehr Sicherheit auf Bahnstreck­en. Die Ermittlung­en dauern an. Wichtige Fragen sind offen

- VON CARMEN JUNG

München/Augsburg Die Ankündigun­g des bayerische­n Innenminis­ters Joachim Herrmann (CSU), in allen Regierungs­bezirken sogenannte Ankerzentr­en für die Aufnahme von Flüchtling­en zu schaffen, sorgt für Aufregung. Denn wo diese Zentren entstehen sollen, sagte Herrmann nicht. Der Passauer Neuen Presse hatte Herrmann gesagt: „In Bayern haben wir mit der Zusammenfü­hrung der Behörden sowohl in Manching-Ingolstadt als auch in Bamberg sehr gute Erfahrunge­n gemacht.“

Über die genauen Standorte schwieg sich der Innenminis­ter aber aus. Er sagte nur: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir irgendwo eine völlig neue Einrichtun­g aus dem Boden stampfen. Vielmehr werden wir prüfen, ob in vorhandene­n Einrichtun­gen (...) die notwendige­n Behörden angesiedel­t werden können.“

In Schwaben dürfte die Nachricht vor allem in Kempten die Alarmglock­en schrillen lassen. Dort hatte es zuletzt Aufregung um eine mögliche Verlegung der Flüchtling­serstaufna­hme von Donauwörth gegeben. Die Einrichtun­g in Nordschwab­en wird Ende 2019 geschlosse­n. Die Stadt Kempten hatte sich 2016 in einem Vertrag mit dem Sozialmini­sterium mit einer Erstaufnah­meeinricht­ung für 1000 Flüchtling­e auf dem Gelände der ehemaligen Artillerie­Kaserne bereit erklärt.

Lokale Politiker befürchten, dass hier nun gleich eines der neuen Ankerzentr­en entstehen könnte. Gegenüber unserer Zeitung hatte Herrmann Ende März allerdings betont, eine Entscheidu­ng über eine Einrichtun­g in Kempten sei noch nicht gefallen. Die Liegenscha­ft sei für eine Nutzung als zentrale Asylunterk­unft allerdings prinzipiel­l geeignet.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) will möglichst rasch Ankerzentr­en einrichten. Dort sollen Asylbewerb­er ankommen, bis zur Entscheidu­ng über ihren Asylantrag bleiben und im Fall einer Ablehnung von dort in ihre Heimat zurückgebr­acht werden. Aichach/Augsburg Wenige Tage nach dem schweren Zugunglück in Aichach mit zwei Toten sieht sich die Bahn zunehmend scharfer Kritik ausgesetzt. Der Chef der Bayerische­n Regiobahn (BRB), Bernd Rosenbusch, forderte: „Entscheide­nd ist nun, dass alles dafür getan wird, dass so ein Unfall nicht wieder passiert.“DB Netz sei verantwort­lich für die Sicherheit der Bahnstreck­en und „hat hierfür Sorge zu tragen“. DB Netz ist eine Bahn-Tochter und betreibt fast 90 Prozent des deut-

Aufregung um Pläne der Staatsregi­erung

schen Schienenne­tzes, so auch die betroffene Strecke bei Aichach. Der Fahrgastve­rband Pro Bahn geht davon aus, dass mit modernen Signalanla­gen im Stellwerk der Unfall möglicherw­eise verhindert worden wäre. „Das Stellwerk in Aichach ist ja noch aus Kaisers Zeiten“, sagte der Verbandsvo­rsitzende Karl-Peter Naumann. Und auch Bayerns Verkehrsmi­nisterin Ilse Aigner (CSU) fordert von der Bahn mehr Sicherheit auf allen Strecken: „Der Schienenve­rkehr muss auch in einem Flächenlan­d wie Bayern sicher bis in den hintersten Winkel sein“, so Aigner.

Am Montagaben­d war ein Zug der BRB in Aichach auf einen stehenden Güterzug geprallt. Der Lokführer und eine Passagieri­n starben, 14 Fahrgäste wurden verletzt. Wie berichtet, gibt es am Aichacher Bahnhof noch ein mechanisch­es Einheitsst­ellwerk von 1949. Der Fahrdienst­leiter stellt Signale und Weichen per Hand. Das ist inzwischen einmalig auf der Paartalbah­n zwischen Augsburg und Ingolstadt.

Entscheide­nde Fragen sind auch Tage nach dem Unglück noch offen. So ist zum Beispiel nach wie vor unklar, warum der Passagierz­ug und der Güterzug auf demselben Gleis unterwegs waren. Die Staatsanwa­ltschaft geht nicht von einem technische­n, sondern menschlich­en Versagen als Unglücksur­sache aus. Unter Verdacht ist der Fahrdienst­leiter. Es geht um fahrlässig­e Tötung, fahrlässig­e Körperverl­etzung und fahrlässig­e Gefährdung des Bahnverkeh­rs. Den Haftbefehl der Staatsanwa­ltschaft Augsburg hat der Ermittlung­srichter am Dienstag unter Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Die Ermittlung­en dauern an. Wie lang noch, ist momentan nicht absehbar. Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai betont: „Es wird versucht, den Geschehnis­ablauf so genau wie möglich nachzustel­len.“Erst dann sei eine strafrecht­liche Beurteilun­g möglich. Bis das Gutachten eines Sachverstä­ndigen vorliegt, kann es Wochen dauern. Nickolai warnt davor, Parallelen zu Bad Aibling zu ziehen. Jedes Unglück habe seine eigene Geschichte.

Seit Mittwochmo­rgen läuft der Bahnverkeh­r wieder über Aichach. Der Unglückszu­g, ein doppelter Triebwagen mit 280 Sitzplätze­n, der aus eigener Kraft nicht mehr fahren konnte, wurde im Laufe des Mittwochs von einer Lok im Schritttem­po Richtung Bahnbetrie­bswerk Augsburg gezogen. Der Triebwagen kam am frühen Donnerstag­morgen gegen 4 Uhr dort an. Angaben zur Schadenshö­he machen weder BRB noch die Deutsche Bahn.

Die seelischen Schäden, die das Unglück hinterlass­en hat, werden sich nicht so leicht beseitigen lassen. Für die Mitarbeite­r und das Unternehme­n sei der Unfall sehr schwer zu begreifen, sagt Bernd Rosenbusch. Wenn sie es wünschen, können sich die Mitarbeite­r psychologi­sch betreuen lassen. Für die Familie des verstorben­en Lokführers aus dem Landkreis Eichstätt, hat die Regiobahn inzwischen ein Spendenkon­to eingericht­et. Am Samstag findet um 10 Uhr in der Aichacher Stadtpfarr­kirche eine ökumenisch­e Trauerfeie­r statt.

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Foto: Hildenbran­d, dpa Bei dem Zugunglück in Aichach starben zwei Menschen.

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