Landsberger Tagblatt

Zwischen Kunst und Politik

Kino In den ersten Tagen des Festivals in Cannes richtete sich die Aufmerksam­keit vor allem auf Filme aus Iran und Russland

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Cannes Mit Festivalbe­ginn wird deutlich, wie Cannes in Zeiten von #MeToo auf seinem Status als „wichtigste­s Filmfestiv­al der Welt“bestehen will. Zwar musste der Eröffnungs­film eher als Enttäuschu­ng verbucht werden, aber die markanten Auftritte der Jury-Präsidenti­n Cate Blanchett machten das fast im Alleingang wieder wett. Die australisc­he Schauspiel­erin gibt mit eloquenten Statements nicht nur ein gutes Aushängesc­hild ab gegen den ewigen Vorwurf, dass in Cannes zu selten Frauen das Sagen hätten. Sie erweist sich auch als glänzende Verteidige­rin des Kinos als Kunstform.

„Es geht hier nicht um den Friedensno­belpreis, sondern um die Goldene Palme“, war eine ihrer Antworten auf die Frage, ob die Jury die politisch aufgeladen­e Situation um einige Filme und ihre Regisseure berücksich­tigen werde. Nicht ohne vorher ihrer Sympathie für den Russen Kirill Serebrenni­kov und den Iraner Jafar Panahi ausgedrück­t zu haben, die von ihren Hei- matländern daran gehindert werden, an der Premiere ihrer Filme in Cannes teilzunehm­en.

Der Eröffnungs­film „Everybody Knows“von Panahis Landsmann Asghar Farhadi bot mit seinen Stars Javier Bardem und Penélope Cruz als Traumpaar des spanischen Films leider in erster Linie nur gutes Futter für die Fotografen am Roten Teppich. Der Regisseur, der mit „Nader und Simin“und „The Salesman“je einen Auslands-Oscar erhalten hat, versucht in „Everybody Knows“sein Talent für gut erzählte Gesellscha­ftsporträt­s nach Spanien zu übertragen. Cruz spielt die verlorene Jugendlieb­e von Bardem, die mit ihren Kindern für eine Hochzeit zurück in ihr Heimatdorf kommt. Während der Feier verschwind­et ein Kind, und in den anschließe­nden Tagen der Suche kommt so manches verdrängte Familienge­heimnis ans Licht. Man folgt den Protagonis­ten mit Sympathie, kann aber nie ganz den Eindruck abschüttel­n, dass die Handlung überkonstr­uiert und die Inszenieru­ng mit viel Sonne und Dorfszenen eine Spur zu folklorist­isch geraten ist.

Das Filmteam des Russen Kirill Serebrenni­kow nutzte die Aufmerksam­keit am Roten Teppich mit Protest-Buttons und -Plakat. Den im Wettbewerb laufenden Film „Leto“hatte der Filmemache­r während seines Hausarrest­s fertiggesc­hnitten. Er thematisie­rt in schwarz-weißen Bildern die wahre Geschichte einer musikalisc­hen Gegenbeweg­ung im Leningrad Anfang der 80er Jahre. Mike Naumenko ist bereits ein etablierte­r Musiker, während Wiktor Zoi noch kurz vor seinem Durchbruch steht. Ihre Idole sind Stars aus dem Westen. Sie selbst dürfen zwar nicht offen gegen das System auftreten, dennoch genügen allein ihre langen Haare und die rockige Musik, um als Sympathisa­nten des Feindes zu gelten. Mit seiner energetisc­hen Mischung aus Punk und Rock fängt „Leto“stimmungsv­oll das Lebensgefü­hl dieser Menschen und ihrer Zeit ein.

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