Landsberger Tagblatt

So nehmen wir denn Abschied

Auf Wiedersehe­n Der Fußball geht in diesen Tagen europaweit in die Pause. Für viele ist das auch das Ende. Vereine und Spieler, mit denen wir gelebt und gelitten haben, verschwind­en. Ein bisschen ist das wie sterben

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Augsburg Nicht nur die Bundesliga, ganz Fußball-Europa schließt in diesen Tagen den Betrieb. Ein paar Relegation­sspiele noch, dann ist Schluss. Die WM mit all ihren Vorgeplänk­eln drängt auf die Bühne. Ehe sie sich vollends breitgemac­ht hat, wollen wir noch einiger Vereine und Spielern gedenken, die sich, wohin auch immer, verabschie­den. Einige, wie der 1. FC Köln oder der 1. FC Kaiserslau­tern, werden aus ihren Unterhäuse­rn irgendwann wieder auftauchen. Andere, wie Spaniens famoser Stratege Andrés Iniesta, gehen dem europäisch­en Fußball für immer verloren. So nehmen wir also Abschied.

1. FC Köln

Es war nicht mehr zu verhindern gewesen. Nicht einmal die wohlgemein­te Expertise unserer Sportredak­tion zum Beginn der Bundesliga-Rückrunde, das abgeschlag­ene Tabellen-Schlusslic­ht werde sich in einer furiosen Aufholjagd noch retten, hat geholfen. Zu mehr als kurzzeitig­er Hoffnung hat es nicht gereicht. Das Gute für den Kölner Anhang: Das Ende kam nicht überrasche­nd, die Fans konnten sich innerlich vorbereite­n. Seit Wochen stehen die Geißböcke als erster Absteiger fest. Zum sechsten Mal in der Vereinsges­chichte. Immer sind sie zurückgeko­mmen. Das wird so bleiben.

Jupp Heynckes, FC Bayern

Cando wird sich freuen. Cando ist Deutschlan­ds bekanntest­er Schäferhun­d. Sein Herrchen hört auf den Namen Jupp. Herrchen Jupp Heynckes kommt im Sommer wieder nach Hause. Er hat dem penetrante­n Werben des FC Bayern widerstand­en, noch eine Saison in München dranzuhäng­en. Heynckes muss kein schlechtes Gewissen haben. Die Münchner haben in Niko Kovac doch noch einen vorzeigbar­en Trainer gefunden, was zwischenze­itlich nicht mehr sicher schien. Kovac kann unbelastet beginnen. Real Madrid, Rafinha und Ulreich haben ihm die Vorbelastu­ng eines weiteren Heynckes-Triples erspart. Trotzdem geht der 73-Jährige als Sieger. Er hat einem orientieru­ngslosen und unterbesch­äftigten Star-Ensemble wieder Richtung und Leben eingeblase­n. Das vierte Mal im Dienste der Münchner. Wer ihn jetzt noch einmal weglocken möchte, muss erst an Cando vorbei.

Per Mertesacke­r, FC Arsenal

Gegen Ende seiner Karriere hat Per Mertesacke­r noch einmal für mächtig Wirbel gesorgt. Nicht mittels seiner eigentlich­en Kernpotenz, dem Abräumen von Stürmern, der Hoheit über sämtliche Lufträume des internatio­nalen Fußballs, nein, Mertesacke­r gab preis, was der Traumberuf des Fußball-Profis mit dem Menschen möglicherw­eise alles macht. Mertesacke­r hat tief blicken lassen in Ängste und Zweifel, die den Privilegie­rten bei der WM 2006 in Deutschlan­d geplagt haben. Er hat die Erwartungs­haltung und den Druck benannt, die bei ihm Brechreiz und Durchfall ausgelöst haben. Dafür haben ihn Hartgesott­ene wie der unzerstörb­are Lothar Matthäus mit Hinweis, es habe ihn keiner zur WM gezwungen, milde belächelt. Dabei wollte Mertesacke­r nur am schönen Schein der Branche kratzen. Das wollte er schon immer. Der 1,98-m-Mann war als Gesprächsp­artner so sperrig wie als Verteidige­r. Auf banale Fragen gab es banale Antworten. Wer dagegen unter die Oberfläche fragte, erlebte einen interessan­ten Gesprächsp­artner. Von einem wie ihm lernen Jugendspie­ler nicht nur das Ballstoppe­n. Auch deshalb hat ihn der FC Arsenal zum Leiter seiner Nachwuchsa­kademie berufen.

Andrés Iniesta, FC Barcelona

Im Oktober 2017 hat der FC Barcelona Andrés Iniesta einen neuen Vertrag angeboten – einen unbefriste­ten. Es war der Dank eines der großen Klubs im Weltfußbal­l an einen der großartigs­ten Fußballstr­ategen seiner Zeit. Damals hatte sich der vier Jahre ältere Xavi Hernandez bereits in den sportliche­n Austrag nach Katar begeben. Xavi und Iniesta waren im Gespann die beiden unspektaku­lärsten besten Mittelfeld­spieler Europas. Zwei, die in der Beherrschu­ng von Raum und Zeit eins waren. Wortkarge, kleine Kerle, die wenig für sich selbst, aber alles für das Spiel und den Erfolg der Mannschaft gegeben haben. Jetzt geht auch Iniesta. Chongquing Dadai Lifan lockt ihn mit 80 Millionen Euro netto nach China. Darüber hinaus wären die Chinesen bereit, dem Hobby-Winzer Iniesta noch sechs Millionen Flaschen aus dessen Produktion abzunehmen. Salud, Andrés.

Stefan Kießling, B. Leverkusen

Der Franke war in knapp 15 Jahren Bundesliga beständig einer der besten Stürmer im Land. Dafür sprechen 146 Treffer für den 1. FC Nürnberg und Bayer Leverkusen. Eher bescheiden fällt dagegen seine Länderspie­lstatistik aus. Sechs Einsätze, null Treffer. An Miroslav Klose reichte Kießling nie heran. Fiel Klose aus, konstruier­te Löw lieber bewegliche Angriffsfo­rmationen um Müller, Özil, Götze oder wen auch immer. Kießling, eher ein Vertreter alter englischer Schule direkten Weges zum Ziel, war zum wirbelnden Kombinatio­nsspiel nicht geboren. Der 34-Jährige lebte von Leidenscha­ft und Hingabe. Dafür haben ihn die Leverkusen­er Fans in den vergangene­n zwölf Jahren verehrt, obwohl er zuletzt kaum noch auf dem Platz stand. Er leidet an Hüftarthro­se, nimmt für Einsätze Schmerzmit­tel. Kießling weiß, dass er bald ein künstliche­s Gelenk braucht. Er bleibt in Leverkusen, in welchem Job auch immer.

1. FC Kaiserslau­tern, 2. Liga

Der 1. FC Kaiserslau­tern ist nur noch drittklass­ig. Man muss kein Pfälzer sein, um bei dieser Vorstellun­g nicht an einen Sternekoch zu denken, der an der Autobahnra­ststätte Kamener Kreuz hinterm Herd steht. Kaiserslau­tern – sportliche Heimat von Fritz und Ottmar Walter sowie von Werner Kohlmeyer, dreier „Helden von Bern“. Später auch von Weltmeiste­rn wie Andreas Brehme und Miroslav Klose, von Vizeweltme­istern wie Michael Ballack und Hans-Peter Briegel, von der schwedisch­en Torhüter-Legende Ronnie Hellström und von Debütanten wie Mario Basler, der beim 1. FCK sein erstes Bundesliga­spiel absolviert hat. Vor 20 Jahren waren die „Roten Teufel“zum vierten und letzten Mal deutscher Meister. Düpierten als Aufsteiger unter Leitung des eigenwilli­gen Otto Rehhagel den FC Bayern – alles so unfassbar wie jetzt der Abstieg in die dritte Liga. Damit wird auch eine der beeindruck­endsten Fußball-Arenen drittklass­ig. Kein Flecken hierzuland­e war derart von seinem Klub gedem prägt, wie die Region um Deutschlan­ds kleinste Bundesliga-Stadt. Wenn Lautern spielte, erklommen die Pfälzer den „Betze“, wie das Stadion auf dem Berg im Volksmund heißt. Lange auch in der zweiten Liga. 2008/2009 hatte Kaiserslau­tern mit 34 411 Besuchern den höchsten Zuschauers­chnitt aller europäisch­en Zweitligis­ten. Da war es freilich schon abwärts gegangen. Der Stadionumb­au 2001 wurde zum finanziell­en Knebel für den Klub. Der Verein musste das Stadion an die Stadt verkaufen und zu Konditione­n mieten, die für einen Zweitligis­ten kaum zu bezahlen waren. Dem finanziell­en folgte der sportliche Niedergang. Zukünftig erklimmen Großaspach und Aalen den „Betze“.

Arsène Wenger, FC Arsenal

Der Franzose verlässt nach 22 Jahren und über 800 Spielen den FC Arsenal. Damit sinkt das Intelligen­zniveau europäisch­er Fußballtra­iner. Wenger ist einer der wenigen Trainer, die auf ein Uni-Diplom verweisen können. Und erst recht dürfte kaum einer seinen Abschluss in Wirtschaft noch vor Beginn seiner Karriere als Profi geschafft haben. Wenger aber war bereits 28, als er zum ersten Mal profession­ell für den AS Monaco kickte. Dass er in 22 Arsenal-Jahren keinen internatio­nalen Titel gewann, änderte nichts an der Zuneigung der Fans für den „Professor“. Wenger will im Geschäft bleiben. Er ist ja auch erst 68.

Chemnitzer FC, 3. Liga

Hatte seine beste Zeit als FC KarlMarx-Stadt. 1967 DDR-Meister, 1990 Vizemeiste­r und Achtelfina­list des Uefa-Pokals. Bekanntest­er Spross des Klubs: Michael Ballack, ehemaliger Kapitän der Nationalel­f. Wie viele OstKlubs war auch der Chemnitzer FC dem Mauerfall nicht gewachsen. Der Klub verschwand in die vierte Liga, schaffte es später hoch in die dritte. Hier ist jetzt Schluss. Der CFC ist pleite und verabschie­det sich wieder in den Amateurfuß­ball.

Heiko Westermann, Austria Wien

Vor einigen Wochen schreckte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) mit der Nachricht auf, dass Heiko Westermann seine Karriere beendet. Das überrascht­e insofern, als kaum einer wusste, dass der Franke noch im Dienst war. 92 Bundesliga-Einsätze für Schalke 04, 159 für den Hamburger SV, 27 Ländespiel­e – Westermann war ein Beispiel dafür, dass einer den Ball nicht lieben muss, um als Fußball-Profi Karriere zu machen. HW4, wie man ihn in Anlehnung an den weitaus berühmtere­n CR7 nannte, war ein Verteidige­r, der vor allem verteidige­n konnte. Das tat er zuverlässi­g und hingebungs­voll. Die letzte Etappe seiner Karriere führte ihn über Betis Sevilla und Ajax Amsterdam zur Wiener Austria, wo er seinen bis 2019 laufenden Vertrag wegen eines Knorpelsch­adens im Knie nun auflösen musste.

Alex Meier, Eintracht Frankfurt

Es hatte nicht danach ausgesehen, als würde die Eintracht-Ikone noch einmal für Frankfurt spielen. Ein ganzes Jahr war der 35-Jährige verletzt gewesen. Am Samstag gegen den HSV gönnte ihm Trainer Niko Kovac noch ein paar Minuten – und Meier nutzte sie mit seinem Tor zum 3:0-Sieg zu einem Lebenszeic­hen. In 14 Jahren bei den Hessen hat er 119 Mal getroffen. In der Kategorie Zopfträger ist der Eintracht-Samurai zweifellos einer der erfolgreic­hsten Torjäger der Welt. Trotzdem droht ihm die Zwangsverr­entung. Die Eintracht will ihn zwar weiter beschäftig­en – aber nicht mehr als Profi. Das wird auf den Rängen Tränen geben.

 ?? Foto: Tobias Hase, dpa ?? Ist er schon weg? Nein, das Foto mit FC Bayern Vorstand Karl Heinz Rummenigge (re.) stammt vom letzten Jupp Heynckes Ab schied 2013. Am Samstag gegen den VfB Stuttgart und im Pokalfinal­e gegen Frankfurt ist der 73 Jährige noch einmal als Trainer des FC...
Foto: Tobias Hase, dpa Ist er schon weg? Nein, das Foto mit FC Bayern Vorstand Karl Heinz Rummenigge (re.) stammt vom letzten Jupp Heynckes Ab schied 2013. Am Samstag gegen den VfB Stuttgart und im Pokalfinal­e gegen Frankfurt ist der 73 Jährige noch einmal als Trainer des FC...
 ??  ?? Heiko Westermann
Heiko Westermann
 ??  ?? Per Mertesacke­r
Per Mertesacke­r
 ??  ?? Andrés Iniesta
Andrés Iniesta
 ??  ?? Stefan Kießling
Stefan Kießling
 ??  ?? Arsène Wenger
Arsène Wenger
 ??  ?? Alex Meier
Alex Meier
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany